Wien – Der Tag hat mit einer tragischen Nachricht begonnen": Damit eröffnete Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag sein Statement. Nur wenige Stunden nach dem Selbstmordattentat in Manchester startete in Wien eine zweitägige Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die den Kampf gegen Terrorismus zum Thema hatte. Österreich hat seit vergangenem Jänner den einjährigen OSZE-Vorsitz inne.

Kurz hatte zu Jahresbeginn das Vorgehen gegen Radikalisierung zur Priorität erklärt und den deutschen Terrorforscher Peter Neumann zum OSZE-Sonderbeauftragten zur Bekämpfung von Ex tremismus ernannt. Neumann ist Politikwissenschafter und leitet das International Centre for the Study of Radicalisation in London. Er forscht seit mehr als 20 Jahren über internationalen Terrorismus. Bei einer Pressekonferenz nach dem Auftakt der Konferenz, die mit einer Schweigeminute für die Opfer in Manchester eröffnet wurde, betonten sie beide, Kurz und Neumann, dass alle 57 OSZE-Mitgliedsstaaten von der Gefahr durch Terror betroffen seien. Jedoch seien nicht alle Länder gleichermaßen gut darauf vorbereitet.

Bewusstseinsveränderung

Der jüngste Anschlag in Großbritannien habe einmal mehr aufgezeigt, wie wichtig neben klassischen Sicherheitsmaßnahmen Präventionsarbeit sei, insbesondere in Schulen, Gefängnissen und in sozialen Medien, betonte Kurz, der auch die islamischen Glaubensgemeinschaften in der Pflicht sah: "Der politische Islam ist der Nährboden für Terrorismus, daher erwarten wir uns Kooperation von den islamischen Glaubensgemeinschaften."

Auch wenn es Erfolge bei der Bekämpfung des "Islamischen Staates" (IS) gebe, so bedeute das nicht, "dass sich das Problem erledigt" habe, sagte Neumann. Im Irak seien etwa 60 Prozent des bisherigen IS-Territoriums zurückerobert worden, in Syrien mehr als 30 Prozent, und in Libyen sei die Stadt Sirte befreit worden. Doch mit diesen ersten Erfolgen ergebe sich laut Neumann die paradoxe Situation, dass die Zerstörung des selbsternannten Kalifats die Situation in Europa zumindest kurzfristig sogar gefährlicher mache: "Wir sind von Phase eins in Phase zwei angelangt." Seit Monaten rufe der IS seine Anhänger dazu auf, in ihren Heimatländern zu bleiben und dort Anschläge zu verüben. "Diese zweite Phase kann noch viele Jahre dauern", sage Neumann.

Besonderes Augenmerk liege laut Neumann und Kurz derzeit auf den Ländern des Westbalkans und Zentralasiens. Als einen ersten Erfolg werteten beide auf Nachfrage des STANDARD eine Bewusstseinsveränderung: Einige Staaten hätten noch Anfang des Jahres nicht zugeben wollen, dass Radikalisierung und Extremismus auch ihr Problem sei. Das habe sich inzwischen geändert. (Anna Giulia Fink, 23.5.2017)