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Die Polizei setzte Tränengas ein.

Foto: REUTERS/Ueslei Marcelino

Brasilia – Mit der Entscheidung zum zeitweiligen Aufmarsch von Soldaten vor Behördengebäuden hat die wegen Korruptionsverdachts unter Druck stehende Regierung in Brasilien ihr Land weiter in Aufruhr versetzt. Sie hatte die Mobilisierung am Mittwoch nach Ausschreitungen bei Massenprotesten verkündet. Am Donnerstag ließ sie die Soldaten aber wieder abziehen.

Nach einer großen Demonstration gegen Staatschef Michel Temer in der Hauptstadt Brasilia war es am Mittwoch zu Ausschreitungen gekommen, Protestierende griffen Ministerien an. Der anschließende Einsatz des Militärs weckte in dem Land Erinnerungen an die Zeit der Militärdiktatur.

Die von Gewerkschaften sowie linken Parteien und Gruppen organisierte Großkundgebung verlief zunächst friedlich. Nach Behördenangaben nahmen 45.000 Menschen teil, die Veranstalter sprachen von 100.000. Sie zogen mit dem Ruf "Temer weg" durch die Stadt.

Tränengas und Blendgranaten

Als der Protestzug das Regierungsviertel erreichte, kam es zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, einige teils vermummte Demonstranten warfen Steine. Amtlichen Angaben zufolge wurden 49 Menschen verletzt, einer durch Schüsse. Außerdem gab es demnach sieben Festnahmen und beträchtlichen Sachschaden.

Einige Demonstranten drangen in das Landwirtschaftsministerium ein und randalierten dort, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Sie legten demnach ein Feuer, zerstörten Fotos früherer Minister und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch andere Ministerien wurden angegriffen.

1.500 Soldaten

Die brasilianische Regierung forderte daraufhin 1.500 Soldaten an, um die Gebäude zu schützen. Sie sollten zunächst bis zum 31. Mai bleiben. Im Kongress kam es zu tumultartigen Szenen, als Temers Order zum Einsatz von Soldaten bekannt wurde. Am Donnerstag veröffentlichte die Regierung dann allerdings ein Dekret, das die Anordnung wieder aufhob.

Der Einsatz der Armee ist heikel in einem Land, das von 1964 bis 1985 unter der Militärdiktatur lebte. Zuletzt kamen Soldaten in schwierigen Sicherheitslagen oder bei Großereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 oder den Olympischen Spielen 2016 zum Einsatz.

"Das ist eine extreme Maßnahme der Regierung Temer und ein klares Signal, dass die Regierung die Kontrolle verloren hat, mit sehr schlechten Folgen für unsere Demokratie", sagte der Analyst des Consultingbüros Hold, Andre Cesar, in Brasilia.

Erinnerungen an Diktatur

Der Senator Tasso Jereissati von der rechtsgerichteten Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB), Temers Hauptkoalitionspartner, fühlte sich ebenfalls an die Militärdiktatur erinnert. Jereissati gilt als einer der möglichen Nachfolger Temers.

Die Demonstranten verlangten den Rücktritt des korruptionsverdächtigen Staatschefs, Neuwahlen und das Ende der von Temer verordneten Sparpolitik. Diese sieht vor, öffentliche Ausgaben für die Dauer von 20 Jahren einzufrieren, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen und die Arbeitsgesetze im Sinne der Unternehmer zu lockern. In Rio de Janeiro lieferten sich Polizei und Demonstranten gegen Temers Pensionspolitik ebenfalls Auseinandersetzungen.

Temer besteht trotz sich häufender Rücktrittsforderungen darauf, im Amt zu bleiben. Laut einem heimlich mitgeschnittenen Gespräch soll er Schweigegeldzahlungen an den wegen Korruption bereits inhaftierten ehemaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha zugestimmt haben. (APA, 24.5.2017)