Robert Hofrichter: "Das geheimnisvolle Leben der Pilze", Gütersloher Verlagshaus, 240 S., € 20,60, 2017.

Foto: Gütersloher Verlagshaus

Wien – "Die wahren Pilze, das sind die versteckt lebenden Fadenwesen im Boden oder Holz", sagt der Biologe Robert Hofrichter. In seinem neuen Buch "Das geheimnisvolle Leben der Pilze" geht es daher nicht nur um Ständerpilze (Basidiomycota) – also das, was gemeinhin unter "Schwammerl" läuft – und die Frage, was essbar oder giftig ist. Vielmehr liefert er einen Überblick über eine zumeist verborgene Welt, die sich über den ganzen Planeten erstreckt: Denn Pilze bevölkern nicht nur Wälder, Wiesen, Parks und Gärten, sondern sogar die Meere und sind selbst auf der internationalen Raumstation ISS zu finden.

"Geflecht des Lebens"

Tatsächlich bietet die dritte Form vielzelligen Lebens (neben Pflanzen und Tieren) etliche verblüffende Fakten und Rekorde. In ökologischer Hinsicht ähneln Pilze Tieren mehr als Pflanzen. Sie sind bestens vernetzt: ein einziger Baum kann mit bis zu 100 verschiedenen Pilzarten vergesellschaftet sein, ein Kubikzentimeter Erdboden bis zu 20 Kilometer hauchdünne Pilzfäden (Hyphen) enthalten.

Für Hofrichter erzählt dieses "Geflecht des Lebens", das mit seinen zum Myzel vernetzten Hyphen den eigentlichen Pilz bildet, von der Vernetzung von Lebewesen, vom Austausch von Stoffen zum gegenseitigen Nutzen und von einer Kommunikation auch jenseits der Tierwelt.

Verblüffende Eigenschaften

Pilze sind aber auch Räuber, die ihre Hyphen zu Lassos formen, um damit Fadenwürmer zu fangen können. Sie können auch Parasiten sein, die Insekten zu "Zombies" machen, indem sie sie an für sie günstige Orte steuern. Pilze können riesig sein, wie der im Jahr 2000 im US-Bundesstaat Oregon entdeckte Hallimasch zeigt, der so viel wie vier Blauwale von je 150 Tonnen wiegt und eine Fläche von geschätzten 1.200 Fußballfeldern einnimmt.

Und sie sind auch gefährlich – und zwar nicht nur als giftige Ständerpilze, sondern auch in Form einer von fast 200 bisher bekannten Pilzerkrankungen, denen jährlich weltweit 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fallen. Zudem sind sie Überlebenskünstler, die mit den harschen Bedingungen auf der ISS ebenso zurecht kommen und wie in den Kerosinleitungen von Kampfjets.

Pilze selbst produzieren mit ihren Fruchtkörpern nicht nur ausgezeichnete Leckerbissen wie Steinpilz oder Trüffel, sondern auch seltsame Erscheinungsformen, die in der Nacht leuchten, nur auf Schmetterlings-Puppen wachsen oder roten Tintenfischen ähneln.

Wichtige Ressource

Doch auch der Mensch hat die Pilze "gezähmt" und lässt sie für sich produzieren, und zwar nicht nur Fruchtkörper in Form von Zuchtchampions. In industriellem Maßstab werden sie heute zur Erzeugung von Nahrung und Futtermitteln, von Antibiotika, Enzymen, Alkohol, Vitaminen und vielen anderen Stoffen eingesetzt. Auch das könnte man als spezielle Form der Kooperation zwischen grundverschiedenen Organismen sehen, die typisch für Pilze ist und sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. (APA, red, 19. 5. 2017)