Alle am Schulsystem Beteiligten hätten eine Reform verdient. Dass sie bald kommt, ist eher unwahrscheinlich.

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Man muss die Sache realistisch sehen: Dass es in diesem Koalitionsleben noch eine vernünftige Bildungsreform gibt, ist höchst unrealistisch. Das legen nicht nur die Wortmeldungen roter und schwarzer Politiker der vergangenen Tage nahe, dafür spricht auch die Ausgangslage.

Sowohl für die SPÖ als auch für die ÖVP ist das vorliegende Paket von vornherein ein fauler Kompromiss. Ein Beispiel: Für die SPÖ war die Bildung von "Schulclustern" im Grunde nur eine administrative Volte, um doch noch auf koalitionären Pfaden in Richtung Ganztages-Gesamtschule der 10- bis 14-Jährigen zu marschieren. Die ÖVP will, stark getrieben von der Lehrergewerkschaft, genau das nicht – Stichwort "Modellregion". Würde man beschließen, dass etwa ganz Vorarlberg eine Modellregion wäre in der die gemeinsame Schule ausprobiert wird, könnte dieses Experiment ja glücken – und das ist vor allem nicht im Sinne der AHS-Standesvertreter, die es heftig ablehnen, aus ihrer Sicht weniger begabte Kinder zu unterrichten.

Großes Thema, großer Graben

Die Bildungsfrage ist jenes große Thema, bei dem sich die Geister in der Koalition immer schon besonders stark schieden. Hier kommt man einfach nicht zusammen, auch, weil die ÖVP sich hier stets von der schwarzen Lehrergewerkschaft in Geiselhaft nehmen ließ.

Übrig bleibt ein Schulsystem, in dessen Administration immer mehr Geld fließt, am Ende aber kaum einen der daran Beteiligten wirklich glücklich macht – weder die Lehrer noch die Schüler noch deren Eltern. Die Lernfortschritte der Kinder lassen, siehe Pisa, oft zu wünschen übrig, die individuelle Förderung bleibt auf der Strecke und engagierte Lehrer fragen sich immer öfter, warum sie sich das alles eigentlich antun. Sie fühlen sich mit "schwierigen" Schülern und sozialen Problemen vielfach alleine gelassen.

Dass nun Grüne und FPÖ für die heillos zerstrittenen Koalitionäre Lockstoffe auslegen – die einen via Öffnung der Modellregion, die anderen via "Ombudsmann", der Schüler und Eltern als unabhängiger Mediator vertreten soll – verwundert nicht. Ob dies tatsächlich zu einer Auflösung des Patts führt, wird von Experten bezweifelt.

Unwahrscheinlichkeitsrechnung

Vielleicht, gegen jede Wahrscheinlichkeit, öffnet sich aber doch ein "Window of opportunity", sprich: zumindest die Chance auf einen neuen Weg. Kann ja sein, dass Sebastian Kurz, derzeit innerparteilich so stark wie nie, andere Wege geht als seine Vorgänger. Oder Christian Kern tatsächlich durch das "freie Spiel der Kräfte" im Parlament Spielraum schafft.

Oder das Thema wird wahlentscheidend. Schon einmal, 2006, gewann die SPÖ mit Alfred Gusenbauer an der Spitze mit einem Bildungswahlkampf. Dass die SPÖ ihre Wahlversprechen später nicht einhielt – oder einhalten konnte, weil das durch die neuerliche Koalition mit der ÖVP unmöglich war, vertiefte die Gräben zwischen den beiden Parteien noch.

Zumindest das, eine Neuauflage von Rot-Schwarz, scheint, nach heutigem Stand, diesmal eher ausgeschlossen. (Petra Stuiber, 27.5.2017)