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70 bis 80 Geschäfte verkaufen in Österreich Hanfstecklinge.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Graz/Wien – In Österreich ist der Anbau von Hanfpflanzen gesetzlich verboten, soweit er der Suchtmittelgewinnung dient. Dennoch wächst das Geschäft mit Stecklingen kontinuierlich an. Rund 70 bis 80 Grow- und Headshops verkaufen österreichweit Hanfstecklinge, Cannabisprodukte und Anbauzubehör. Genaue Zahlen liegen der Wirtschaftskammer Österreich nicht vor. Die Geschäfte unterliegen nämlich keiner einzelnen Handelssparte, sondern sind unter anderem als Lebensmittel- und Textilhandel oder Floristen gemeldet.

Im Allgemeinen wird zwischen Head- und Growshops unterschieden, wobei sich einige Unternehmen in Österreich auf beide Sparten konzentrieren. In Growshops werden Hanfstecklinge verkauft und alles, was für die Pflege und den Anbau jener benötigt wird – von Dünger bis zu Lampen. In Headshops hingegen wird Rauchzubehör verkauft.

Hanf & Hanf im zweiten Wiener Gemeindebezirk ist einer jener Betriebe, die sich auf beide Sparten spezialisiert haben. Kunden werden hier von lauter Trancemusik und blinkenden Neonlichtern begrüßt, es riecht nach Düngemittel. In Regalen reihen sich Pfeifen neben Zigarettenpapieren mit Erdbeer- und Kiwigeschmack. Hanfdünger und Lampensysteme werden genauso angeboten.

Von "süß-pfeffrig" bis "blumig"

Außerdem verkauft Geschäftsführer Drazen Kolundzija seit 2003 Hanfstecklinge. "Blumig" oder "süß-pfeffrig" steht auf den Beschreibungen der Stecklinge, die als Zierpflanzen vertrieben werden. Das Geschäft läuft: 40.000 bis 50.000 Pflänzchen werden im "Garten", wie Kolundzija ihn nennt, monatlich produziert. Solange die Stecklinge noch nicht blühen, können sie in Österreich legal verkauft werden. Cannabisblüten enthalten einen hohen Tetrahydrocannabinolanteil (THC), der Wirkstoff ist in Österreich als Suchtgiftmittel eingestuft.

Mutterpflanzen und Klone

Der Garten ist Teil des Shops, der bereits mehrfach expandiert hat. Mittlerweile kümmern sich 22 Mitarbeiter um rund 400 Mutterpflanzen. Kolundzijas Angestellte arbeiten in schwülen, mit Neonlicht beleuchteten Räumen und schneiden sogenannte Klone von den Mutterpflanzen ab. Im Embryoraum dürfen die Klone dann in Minigewächshäusern Wurzeln schlagen und in einem weiteren Raum zu Stecklingen heranwachsen. Eine Ausbildung gibt es für das Gewerbe nicht: "Wir haben einmal versucht, normale Gärtner einzustellen. Die konnten mit Hanfpflanzen aber nichts anfangen. Das Wissen wird in Baumschulen nicht weitergegeben", erzählt Kolundzija.

Ganz anders als im zweiten Bezirk sieht es im Grazer Growshop Botanic Matters aus. Das Geschäft ist groß und hell gestaltet. Das Kifferimage versucht man hier abzulegen, weswegen man auch ausschließlich Produkte zum Anbau von Cannabispflanzen vertreibe und kein Konsumzubehör. Die Pflanzen mit klingenden Namen wie Blueberry, Amnesia oder Trainwreck werden gesondert großgezogen. Zur Blüte kommt es nie, erzählt eine der Mitgründerinnen, Eva Ecker-Eckhofen. Das zu verhindern sei unkompliziert: "Wir beleuchten unsere Mutterpflanzen 20 Stunden pro Tag." Durch die Dauerbestrahlung würden die Pflanzen in der Regel keine Blüten entwickeln.

Betagtes Publikum

Die Kundschaft der Growshops hätte sich in den vergangenen Jahren verändert: Jeder vierte Käufer sei mittlerweile älter als 60 Jahre. "Die Kunden sind nicht die zwielichtigen Typen, die man sich vorstellen würde", sagt Ecker-Eckhofen. Diese Erfahrung teilt auch Toni Straka, Vorstand des österreichischen Hanfinstituts: "Der gartelnde Pensionist ist der neue Markt. Wenn der Schmerzen hat, wird er sich von niemanden verbieten lassen, im Garten anzubauen." Mittlerweile wären neun von zehn Personen, die das Hanfinstitut kontaktieren, schwerkranke Menschen, die Cannabis probieren möchten, so Straka.

Für die einen ist es Suchtgift, für die anderen Medizin – rund 20.000 Personen haben eine Bürgerinitiative zur Straffreigabe von Hanfblüten und
-extrakten für medizinische Zwecke unterstützt. Auch in Deutschland wird Stimmung für die Freigabe gemacht.
Foto: APA / dpa / Rainer Jensen

Über den Anbau zur Cannabisgewinnung will man in den Shops nichts wissen. Was mit den Stecklingen passiert – also ob die Pflanzen zur Blüte gebracht werden oder nicht –, sei den Kunden überlassen. "Wir geben unseren Kunden keine Auskünfte", heißt es bei Botanic Matters.

Reine Botanik

Ein- bis zweimal pro Monat würden sie aber Veranstaltungen zusammen mit dem Cannabis Social Club Steiermark organisieren, die Kunden dann mit Informationen versorgen könnten. Ähnliches erzählt auch Kolundzija: "Ich gebe nur Information in botanischer Sicht weiter: welche Erde gut ist, welcher Dünger zu verwenden ist und welchen pH-Wert die Pflanze braucht."

Hanf & Hanf baute seine Geschäftsräume aufgrund der großen Nachfrage bereits mehrfach aus, auch bei Botanic Matters spricht man von konstant wachsenden Umsätzen. "Der heutige Zeitgeist ist einfach Marihuana", erklärt sich Kolundzija die steigenden Absatzzahlen. So auch Ecker-Eckhofen: "Das Thema kommt in der Mitte der Gesellschaft an." Konkurrenz unter den Growshops bemerke sie nicht: "Der Markt ist groß genug."

Legalisierungslobby

Laut dem aktuellen Bericht zur Drogensituation des Gesundheitsministeriums gaben 2015 rund 24 Prozent aller Österreicher zwischen 15 und 64 Jahren an, zumindest einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert zu haben. Das Hanfinstitut, das sich selbst als Legalisierungslobby bezeichnet, geht jedoch davon aus, dass allein in Wien Jahr für Jahr rund 45 Tonnen Cannabis konsumiert werden.

Einer Legalisierung von Cannabis steht Ecker-Eckhofen positiv gegenüber: "Das hätte bestimmt positive Auswirkungen auf unser Geschäft." Der Weg bis dorthin wäre aber noch ein weiter. Dass die Legalisierung trotz der steigenden Cannabisnachfrage noch weit entfernt sei, versteht man beim Hanfinstitut nicht. Straka kritisiert, dass es für Schmerzpatienten derzeit keinen leistbaren Weg gebe, Cannabis legal zu erwerben.

Auch für Kolundzija sind in der Diskussion noch einige Punkte offen. Er befürchtet, dass eine Legalisierung in erster Linie dazu führen würde, dass Apotheken Cannabislizenzen erhalten würden. Eine tatsächliche Legalisierung wäre nur dann gegeben, wenn "Hanfanbau mit Weinanbau gesetzlich gleichgesetzt wird", sagt der Unternehmer. Sonst würde erst recht nur die Pharmaindustrie profitieren.

Gesetz in der Warteschleife

Für österreichische Apotheken könnte das Cannabisgeschäft schon bald profitabler werden: Konkret geht es um CBD – Cannabidiol –, ein nicht psychotrop wirkendes Cannabinoid, das aus Hanfpflanzen gewonnen wird. Bisher wurde CBD in Österreich nicht als Suchtgift eingestuft und wird in zahlreichen Head- und Growshops als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Das Gesundheitsministerium prüft derzeit jedoch eine Adaption des Suchtmittelgesetzes, nachdem künftig nur noch Apotheken das Cannabisprodukt verkaufen dürfen.

Für Straka ist das eindeutig ein Schritt in die falsche Richtung: Er kritisiert, dass Schmerzpatienten durch das Pharmamonopol mit deutlich höheren Kosten rechnen müssen. Mit seiner Forderung ist er keineswegs allein: Rund 10.000 Personen haben die vom Hanfinstitut und der Arge Canna gestartete Bürgerinitiative zur Straffreigabe von Hanfblüten und Hanfextrakten für medizinische Zwecke unterschrieben. Die Unterschriftenliste wurde am Freitag an das Parlament überreicht. (Nora Laufer, 29.5.2017)