Nein, Liebe auf den ersten Blick war es wahrlich nicht. Und falls Sie sich jetzt an den Kopf greifen: Ja, so etwas gibt es – auch bei Laufschuhen. Aber als ich den Scott Palani aus seiner Schachtel holte, war da eher ein bisserl Skepsis.

Da war zum einen die Optik. Da ist – eh klar – Gefallen subjektiv, aber ein Schuh, dessen Zehenkappe aussieht, als wäre das Plastik der Sohle einfach über die Zehen nach oben gezogen, dessen Fersenkäfig tatsächlich aus vorgeformtem Plastik ist und dessen Sohle wie ein einziges, durchgängig solides Brett aussieht, ist nicht ganz das, was mein Herz bei einem Laufschuh schon im ersten Augenblick höher hüpfen lässt: Hart wirkte er, der Palani, als er so da lag. Und ein bisserl klobig. Und mit seinen 280 Gramm schwerer als mein derzeitiger Liebling für schnelle Einheiten – der Saucony Freedom ISO: Bei dem war es nämlich Liebe auf den ersten Blick und Tritt gewesen: weich wie ein Flipflop, luftig und leicht und flockig. Dass das, etwa in Sachen Stütze, Führung, bei richtig langem Laufen mit Vorbelastung oder müden Gelenken und auch in puncto Langlebigkeit, natürlich Nachteile hat, steht auf einem anderen Blatt. Aber auf dem steht halt auch nix von Liebe.

Foto: Hersteller

Der zweite Grund meiner Skepsis: Ich verbinde Scott schlicht und einfach nicht mit Straßenlaufschuhen. Das Label steht in meinem Kopf für 1.001 Dinge: Motorradzeug, Lawinenairbags, Sonnenbrillen, Outdoorbekleidung, Mountainbikes und Straßenräder, Off-Piste- und All-Mountain-Ski oder Traillaufen etwa – aber Straßenlauf? Mein Fehler, I know. Außerdem weiß ich, dass die meisten großen Trail-Labels (auch Marktführer Salomon) nicht trotz, sondern wegen des Trail-Booms versuchen, Läufer dort abzuholen, wo sie sind: auf der Straße. Es ist kein Zufall, sondern Marketing, dass immer mehr Normalo-Läufer mit Rucksack unterwegs sind. Und Trail-Outfits – insbesondere die "doppelten" Hosen mit ihrer engen, komfortablen innen- und der weiteren Außenhose – sind nicht nur wegen der Taschen, sondern auch wegen der Optik beliebt: Sie sehen dynamischer aus als weite Pants, kaschieren aber auch Speckröllchen gnädig.

Egal: Scott hat also auch Straßenlaufschuhe – und der Palani war ein guter Grund, ein bisserl von dem anderen Scott-Zeugs, das in den vergangenen Monaten bei mir aufgelaufen war, gleich mitzutesten.

Foto: Thomas Rottenberg

Liebe auf den ersten Blick geht oft schief. Echte Beziehungen brauchen Zeit, bis man einander gefunden hat. Und bis man weiß, was man am anderen hat – und wo man eventuell wegschaut.

Das ist beim Palani nicht anders: "Der Scott Palani ist ein leichter Straßenlaufschuh für viele Trainingskilometer. (…) Er bietet für unterschiedliche Laufstile die passende Plattform, egal ob Vor-, Mittelfuß- oder Fersenläufer. Zudem fördert der Palani durch das Zwischensohlenmaterial Aerofoam-Infinity ein besonders effizientes, kraftsparendes Abrollen des Fußes", bewirbt der Hersteller den orangen Schlapfen. Und hat damit (Zaubervokabel-Geschwurbel lassen wir außen vor) durchaus recht: Trotz der ersten Skepsis wegen der so sehr nach Brett aussehenden Sohle und nachdem ich die Schuhbänder aus den obersten, für mich zu hoch angesetzten Ösen ausgefädelt hatte, war das Laufgefühl sehr fein. Ziemlich, aber nicht zu direkt – und für einen für Neutralläufer (also für Läufer, die wenig ein- oder "ausknicken") ausgelegten Schuh sind Halt und Stütze mehr als akzeptabel.

Es gibt nebenbei mit dem "Palani SPT" ein ähnlich aufgebautes Model mit Pronationsstütze, also mit "Krücke" gegen die gängige Hyperpronation, das Nach-innen-Wegknicken des Fußes. Den bin ich aber nicht gelaufen.

Foto: Thomas Rottenberg

Dennoch: Mit elf Millimeter Sprengung – also dem Höhenunterschied zwischen Ferse und Zehe – ist mir der Palani fast zu "dick". Für Fersenläufer mag das (hinten hat man 26 Millimeter Sohle unter dem Fuß) angenehm sein, aber wer tendenziell am Vor- oder Mittelfuß aufsetzt, braucht derlei nicht wirklich. Doch im Gegensatz zu vielen anderen fersentauglichen Schlapfen fühlt sich hier auch Vorn-Aufsetzen rund und richtig an.

Freilich: Ganz so fliegend-frei wie bei ganz leichten Schuhen ist das Gefühl nicht. Dafür verzeiht der Palani Müdigkeit und Schlamperei auf langen Läufen eher als seine "sportlicheren" Kollegen.

Foto: Thomas Rottenberg

Wo der Palani dann im Vergleich – logisch – noch einmal punktet, ist dort, wo der Grip nicht optimal ist. Also auf unebenen, feuchtem oder Schotteruntergrund – oder auf Wald- und Wiesenboden, der für Trailschuhe nicht wild genug ist.

Beim ersten Testlauf – nach ein paar regnerischen Tagen im Prater – bin ich rasch von der Hauptallee ins Gemüse abgebogen. Mit einem leichten Temposchuh wäre das eine Rutsch- und Gatschpartie geworden. Auch nett – aber der Palani hat hier für mich ganz eindeutig seine Stärken ausgespielt.

Foto: Thomas Rottenberg

Ganz abgesehen davon war das dann auch der Moment und die Zeit, das andere Material zu "spüren": Es war – zumindest anfangs – windig. Scotts RC-Run-WB-Jacke war da genau richtig: superleicht, aber absolut winddicht – und minimalistisch-funktional: "keine Taschen, keine Kapuze, nichts Überflüssiges – nur ein aggressiver Look mit athletischem Schnitt", heißt es auf der Herstellerseite. Fein – aber keine Taschen sind im Normalläuferalltag oft unpraktisch.

Andererseits trägt man Jacken meist nur so lange, bis man warmgelaufen ist – und dann sind volle Taschen beim Umwickeln wieder problematisch.

Foto: Thomas Rottenberg

Was uns zum nächsten Element bringt: zum Rucksack. Auch wenn Trailrucksäcke in der Stadt affig wirken, werde ich immer mehr zum Backpack-Fan. Weil da alles reinpasst, was man sonst mühsam in Hosen- oder Hüfttaschen stopfen muss – und dann oft hüpft oder rutscht. Insbesondere wenn Wasserflaschen dazukommen. Trailrucksäcke sitzen – vernünftig verzurrt – bombenfest. Tausend Taschen schaffen Gepäckstruktur – und Wasserflaschen sind dort, wo man sie braucht: in Mundnähe.

Scotts "RC T R 4" ist mir mittlerweile richtig ans Herz gewachsen. Auch wenn er nicht so viel Platz bietet, wie mein Standard-Trail-Rucksack, der Salomon ADV Skin 12 NH, hat er ein paar Features, die ich mag – etwa die schlaue Einhandfixierung der Wasserflaschen.

Freilich: Wer mit Rucksack läuft, muss bedenken, dass alles, was nicht nass werden soll (egal ob durch Schweiß oder Regen), in ein Plastiksackerl muss. Und: So wie Straßen Verkehr generieren, schaffen Taschen Gepäck. Rucksackläufer tendieren dazu, zu viel Ballast mit zu schleppen.

Foto: Thomas Rottenberg

Den Palani nur auf feuchte Böden zu stellen wäre unfair. Ich habe ihn dann bei einem sonnigen frühmorgendlichen Lauf in Schönbrunn noch einmal ausgeführt: Die schottrig-staubigen Alleen sind ein Terrain, auf dem sich so ein Schuh so richtig wohlfühlt. Man spürt den Boden, aber nicht zu sehr.

Und weil auf meinem Plan Hügelintervalle standen, gab ich dem Schuh dann auch noch die Tempo-Kante. Ging super (ich rede vom Schuh) – und beim Bergablaufen war ich richtig froh über das bissi mehr an Sohle und Grip.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber natürlich gilt: Das ist subjektiv – und bei dem, was ich und 95 Prozent der anderen Läufer laufen, genügt es, Laufschuhe zu verwenden, die zum Fuß und zum eigenen Laufstil passen. Da kommt zuerst die Beratung eines vertrauenswürdigen Händlers und erst lange danach die Vorliebe für Marken, Modelle und Designs.

Ach ja, noch ein Nachtrag zum Probelauf mit der Suunto Spartan Sports Wrist-HR: Dass die Uhr da zu Beginn eines Laufes mit Gurt "Spaßwerte" beim Puls anzeigte, ist laut Suunto kein Bug, sondern ein bekanntes Phänomen: "Das kann manchmal vorkommen, da sich die Oberflächenspannung der Haut manchmal erst anpassen muss." Störfaktoren könne unter anderem elektrostatische Aufladung der Kleidung sein. "Sollte es (das Messergebnis) nach ca. 5 min nicht passen, handelt es sich aber um ein Problem." (Thomas Rottenberg, 31.5.2017)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die vorgestellten Produkte wurden von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Mehr Lauf- und Trainingsgeschichten gibt es auf www.derrottenberg.com.

Foto: Thomas Rottenberg