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Foto: AP Photo/John Minchillo

Vor kurzem ist mit Sarah Gaileys Roman "River of Teeth" ein Western der etwas anderen Art erschienen: Darin galoppieren nicht Cowboys zu Pferde über die Prärie. Stattdessen reiten "Hoppers" auf Flusspferden durch die Sumpflandschaften des amerikanischen Südens – zu Lande wie auch im Wasser.

Wie die meisten Alternativweltromane basiert auch "River of Teeth" auf der Veränderung eines historischen Faktums: Im Falle von Gaileys bizarrem Szenario war dies eine tatsächlich stattgefundene Abstimmung im US-Kongress über die Einbürgerung von Flusspferden in den Südstaaten.

Der verhinderte Gründer der nordamerikanischen Hippo-Population: Robert F. Broussard.
Foto: Library of Congress

Vorgeschlagen wurde der Plan 1910 vom demokratischen Abgeordneten und späteren Senator von Louisiana Robert F. Broussard, der in den Bayous seines Heimatstaats eine ideale Umgebung für die afrikanischen Kolosse sah. Die Einbürgerung sollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen sollte die Flusspferdzucht den damaligen Engpass in der Fleischproduktion beheben. Und ganz nebenbei könnten die Tiere auch dabei helfen, eine überaus lästige Pflanze loszuwerden.

Seit den 1880er Jahren hatten sich nämlich aus dem Amazonasgebiet eingeschleppte Wasserhyazinthen in Florida und Louisiana auszubreiten begonnen und zu einer ökologischen Plage entwickelt. Wasserhyazinthen können ganze Gewässer überwuchern und förmlich ersticken – sogar die Schifffahrt können sie behindern. Die Flusspferde sollten sie ganz einfach wegfressen.

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Dieses Schiff wurde nicht etwa auf einer Wiese abgestellt, es steckt in einem Teppich von Wasserhyazinthen.
Foto: REUTERS/Baz Ratner

Eine ganze Reihe Staaten – allen voran Australien – kann heute ein Lied davon singen, was dabei herauskommt, wenn man glaubt, einen Bioinvasor mit einem anderen vertreiben zu können. Zu Broussards Zeiten setzte man aber noch ganz auf das System Trial and Error, teilweise mit Folgen bis heute.

Denn im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden alle möglichen Tierarten abseits ihrer Heimat ausgewildert, ob als Nutztiere (etwa Dromedare in Australien), Jagdwild (Rehe und Hirsche in Neuseeland) – oder einfach nur aus Spaß an der Freud: In den 1930er Jahren etwa versuchte Norwegens nationaler Naturschutzverein Pinguine auf den Lofoten anzusiedeln. Zwei Jahrzehnte später war die norwegische Pinguinkolonie wieder verschwunden – doch nicht jeden Bioinvasor wird man so leicht los.

Foto: APA/AFP/CARL DE SOUZA

Broussard indes fand namhafte Unterstützer für seinen Plan, unter anderem den für sein Interesse an der Natur bekannten ehemaligen Präsidenten Theodore Roosevelt. Auch das Landwirtschaftsministerium und renommierte Zeitungen wie die "Washington Post" und die "New York Times" konnten sich für die Idee eines hyazinthenvernichtenden Fleischlieferanten erwärmen. Trotzdem scheiterte Broussard mit seiner Initiative bei einer Abstimmung im Kongress, das Hippo wurde nicht zum Amerikaner.

Wie sich die Flusspferde in ihrer neuen Heimat ausgewirkt hätten, ist schwer zu sagen. Aber vermutlich eher nicht so wie in Gaileys launigem Romanszenario, in dem die Eigentümer schwimmender Casinos Falschspieler kurzerhand in den Mississippi kippen, wo sie von Rudeln wildgewordener Flusspferde zerfleischt werden ...

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Trotz des Jagdeifers der Everglades-Bewohner breiten sich die Tigerpythons in Florida immer weiter aus.
Foto: University of Florida, Michael R. Rochford/AP/dapd

Dafür hat es der sumpfige Süden der USA heute mit einem anderen großen Tier zu tun, das in ausgewachsenem Zustand keine natürlichen Feinde mehr hat: In Floridas Everglades wurden in den 1970er Jahren südostasiatische Tigerpythons freigesetzt, die sich seitdem immer weiter ausbreiten.

Die über vier Meter langen Riesenschlangen sind nicht nur eine Bedrohung für nahezu die gesamte einheimische Fauna. Sie liefern sich auch einen heftigen Konkurrenzkampf mit den Alligatoren um den Platz an der Spitze der Nahrungspyramide. Im Gegensatz zu den Pythons sind Flusspferde zwar – außer in seltenen Ausnahmefällen – keine Fleischfresser, dafür ist mit ihnen wegen ihres Territorialverhaltens und ihrer hohen Aggressionsbereitschaft nicht gut Kirschen essen.

Zwei Bücher zum Thema: Jon Mooallems "American Hippopotamus" (The Atavist 2013) und Sarah Gaileys "River of Teeth" (Tor Books 2017).
Fotos: The Atavist, Tor Books

Jon Mooallem, ein US-amerikanischer Journalist mit Themenschwerpunkt Mensch-Tier-Beziehungen, hat sich dieser skurrilen Randnotiz der US-Geschichte und insbesondere dem komplizierten Verhältnis zwischen Robert F. Broussard und seinen Mitstreitern, dem Abenteurer Frederick Russell Burnham und dem südafrikanischen Großwildjäger und Spion Fritz Joubert Duquesne, gewidmet.

Mooallems 76-seitiger Essay "American Hippopotamus" aus dem Jahr 2013 ist als E-Book und Audiobook erhältlich. Auf der Website des Magazins "The Atavist" kann man den Text aber auch gratis lesen:

--> The Atavist: "American Hippopotamus"

In einem Interview mit "Wired" fasste Mooallem die Hintergründe der Geschichte in Kurzform zusammen:

--> Wired: "The Crazy, Ingenious Plan to Bring Hippopotamus Ranching to America"

Sarah Gailey indes hat wie die Flusspferde in ihrem Roman Blut geleckt und baut ihre wilde Westerngeschichte zu einer ganzen Serie aus. Teil 2 soll bereits im September erscheinen. (jdo, 5. 6. 2017)