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Die Squadra um Capocannoniere Mirco Antenucci (Mitte) feiert den Aufstieg.

Foto: ap/ansa/Pianetafoto

Der junge Fabio Capello in den Farben von SPAL.

Der große Fußball kommt zurück nach Ferrara: 1966/67 remisierte SPAL gegen den künftigen Meister Juventus, der Ausgleich der Alten Dame resultierte aus einem Eigentor des unglücklichen Gianfranco Bozzao.

Squadre Campioni

Wien/Ferrara – Den Wurschtl kann keiner erschlagen. So in etwa könnte die Kürzestfassung der Historie von SPAL 2013 lauten, jenem Sportverein aus der herrlichen Stadt Ferrara, der sich nicht unterkriegen ließ und nun, nach 49 Jahren, ein Comeback in der höchsten italienische Fußballliga geben wird. Zweimal bankrott und mehrfach neu gegründet, fegte SPAL als Aufsteiger durch die Saison der Serie B und promoviert als Meister nun erneut. Noch 2014 hatte Ferrara viertklassig gespielt

Am 30. Spieltag erklomm die Squadra von Trainer Leonardo Semplici erstmals die Spitzenposition der Staffel, man sollte sie in den letzten acht Runden auch nicht mehr abgeben. SPAL überflügelte damit Hellas Verona, das mit seinem mehr als doppelt so teuren Kader die erste Saisonhälfte dominierte hatte, dann aber an Stabilität einzubüßen begann. Die Biancazzurri, dem Spitznamen entsprechend elegant in weiß-blaues Streifendesign gewandet, ersparten sich damit das mühsame Prozedere des Playoffs. Dort zerfleischen sich sechs weitere Klubs im Kampf um den dritten und letzten Aufstiegsplatz.

SPAL konnte sich in seinem Durchmarsch besonders auf die Souveränität vor eigenem Publikum verlassen. Im Stadio Paolo Mazza gewann man von 21 Spielen 14, nur zweimal musste man das eigene Feld als Verlierer verlassen. Im Schnitt kamen 7.280 Zuschauer in die ehrwürdige Arena, die, 1928 eröffnet, immerhin die fünftälteste Spielstätte Italiens ist. Die Frage, ob das Paolo Mazza, gesegnet mit immerhin zwei überdachten Tribünen und einer Kapazität von 8.500 Plätzen, den Anforderungen der Serie A genügen wird, darf mit einem eher größeren Fragzeichen versehen werden.

Viel aus wenig

Dass die Vorstellungen Ferraras beim Publikum durchaus guten Widerhall fanden, daran dürfte die attraktiv anzusehende Manier ihren Anteil haben, die Mister Semplici seiner Elf verordnet. Üblicherweise in einer 3-5-2-Formation angeordnet, erwies sich SPAL als Tormaschine der Liga. 66-mal traf man ins Schwarze, so oft wie niemand sonst. Mittelstürmer Mirco Antenucci tat sich dabei besonders hervor. Der 32-Jährige mit dem Zarenbart, letzten Herbst ablösefrei von Leeds United verpflichtet, netzte in 15 Partien 18 Goals. Gegen Avellino gelang gar ein Hattrick. Erstliga-Erfahrung ist in Spurenelementen vorhanden, vor beinahe zehn Jahren debütierte Antenucci unter Walter Zenga bei Catania Calcio in der Serie A. Etablieren konnte er sich aber weder dort noch danach beim FC Torino.

Im Verlauf der Spielzeit versteifte sich der Schwung ins Serielle, seit Weihnachten hat la SPAL nur dreimal verloren. Bemerkenswert: Semplicis Kader ist ausschließlich aus Italienern zusammengestellt. Große, ja, selbst mittelgroße Namen sucht man vergeblich – mit einem Durchschnittsalter von 26,8 Jahren hat der 49-jährige Coach aber offenbar die ideale Mischung aus Routine und Jugend gefunden. Sieben seiner Mannen sind in diversen italienischen Nachwuchsauswahlen vertreten. Wie für sie ist auch für Semplici der Aufstieg der größte Erfolg der Karriere. Sein Leben als Aktiver verlief unauffällig und weitgehend in Amateurgefilden, 2012 coachte er den Nachwuchs der AC Fiorentina zum Cupsieg. Seit Ende 2014 leitet er den Höhenflug von SPAL an.

Die Ära Mazza

Der Verein wurde im Jahr 1907 gegründet, seinen klingenden Namen trägt er seit 1912: Società Polisportiva Ars et Labor. Seine bis dato größte Zeit erlebte der Verein für Geschicklichkeit und Arbeit etwa 40 Jahre später. Unter der Führung des großen Präsidenten Paolo Mazza hielt sich SPAL ab 1951 für sage und schreibe 16 Spielzeiten in der Serie A (1951 bis 1964 und 1965 bis 1968). 1962 stieß man bis ins Finale der Coppa Italia vor, wo man sich der SSC Napoli knapp mit 1:2 geschlagen geben musste. Zuvor hatten die Spallini im Halbfinale Juventus Turin mit 4:1 abgefertigt. Der kleine Klub tat, was man im Englischen so schön als punching above one's weight bezeichnet – SPAL war über sich hinausgewachsen

Mazza, der Ferrara von 1946 bis 1977 vorstand, gilt als Pionier der Nachwuchsarbeit, etablierte als einer der Ersten ein Jugendleistungszentrum. Sein Gespür für Talente verdankt SPAL auch den wohl größten Namen, den die Vereinsannalen hergeben: Fabio Capello. 1962 lotste Mazza den jugendlichen Mittelfeldspieler aus der friulanischen Provinz nach Ferrara, wo er gleich in seiner zweiten Saison sein Scherflein zum Triumph der Burschen vom Po in der italienischen Nachwuchsmeisterschaft beitrug. 1964 debütierte Capello in der Kampfmannschaft, bereits eine Saison später hatte er sich zu einem Schlüsselspieler bei SPAL gemausert und befand sich am Beginn jenes Pfades, der ihn zu Legendenstatus bei Juventus, vor allem aber beim AC Milan führen sollte.

Rückkehr zur Normalität und harte Momente

Parallel dazu ging der Höhenflug Ferraras dem Ende zu. Von einem Niedergang zu sprechen wäre jedoch verfehlt, eher kehrte der Klub in die Normalität angemessener Unterklassigkeit zurück. Zweimal, 2005 und 2012, wanderte man durch das tiefe Tal der Insolvenz inklusive Neugründung. 2013 folgten eine Fusion und die Wiedererlangung des alten, wohlbekannten Namens.

Und nun? Mutmaßlich wird das kommende Jahr ein hartes sein, der Klassenerhalt des kleinen Fisches SPAL in der Serie A würde an ein Wunder grenzen. Daran aber denken in Ferrara derzeit nur wenige, denn Feste müssen gefeiert werden, wie sie fallen. Und das gelingt in Italien in der Regel besonders gut. (Michael Robausch, 31.5.2017)