Wien – Der Stiftungsrat des ORF schlägt sich in seiner Sitzung am Donnerstag einmal mehr mit dem Standort-Problem herum. Endgültige Entscheidung, welche Dimension die Zentrale am Küniglberg künftig haben soll, ist aber keine zu erwarten. Bis Jahresende soll die ORF-Führung versuchen, in der Wiener Lokalpolitik Klarheit über die Chancen für die Widmungsverfahren zu erhalten.

Schon länger rumort es in den Reihen der Stiftungsräte, wo sich einige angesichts von Verzögerungen und Budgetüberschreitungen schön langsam Sorgen wegen ihrer Haftungsverpflichtungen machen. Dementsprechend intensiv wurde am Montag im Finanzausschuss auch über das Thema gesprochen – zweieinhalb Stunden lang, berichteten Teilnehmer.

"Statt Villa wohl Einfamilienhaus"

Lostag für eine allfällige Redimensionierung des Projekts oder den Abschied vom trimedialen Newsroom wird der Donnerstag aber noch nicht – auch wenn Räte schon jetzt laut darüber nachdenken, dass sich der ORF "statt Villa wohl Einfamilienhaus" bauen wird müssen. Bis Jahresende will man sich dafür Zeit geben, womit sich die Jännersitzung 2018 für entsprechende Weichenstellungen anbietet. Denn: Sind die nötigen gemeindepolitischen Beschlüsse bis dahin nicht durch, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass das überhaupt jemals passiert, argumentiert man im ORF.

Dann wäre es Zeit für einen "Plan B", heißt es: Nämlich, wie man die angestrebte Standortkonzentration auch ohne Widmungen möglichst weitgehend realisieren könnte. Die Niederlassung in Heiligenstadt (Ö3) würde wohl jedenfalls aufgelöst; das Funkhaus allerdings zumindest in Teilen in ORF-Besitz verbleiben. A propos Argentinierstraße: Die Verhandlungen für den "modularen Verkauf" an die Rhomberg-Gruppe laufen – derzeit geht es dem Vernehmen nach einmal um den Parkplatz.

Zivilisiert und sachlich

Die Sorge, dass der nahende Nationalratswahlkampf ins oberste Aufsichtsgremium des ORF getragen werden würde, scheint den Sitzungsteilnehmern im Ausschuss vorerst unbegründet: Von mehreren Seiten wurde die Stimmung im Finanzausschuss als "konstruktiv" und "zivilisiert und sachlich" beschrieben. Zuvor hatten etwa Spekulationen die Runde gemacht, die ÖVP könnte es auf eine Sondersitzung zu wahlkampf-tauglicher Zeit anlegen. Dafür sehen Beobachter aber wenig Indizien. Bemühungen von roter Seite, die Standort-Entscheidung aus dem Jahr 2014 aufzurollen und der Entscheidungsvorbereitung durch den damaligen Finanzdirektor Richard Grasl quasi den schwarzen Peter zuzuschieben, sehen wiederum Vertreter der Volkspartei als wenig schlagkräftig an.

Auch die ORF-Belegschaftsvertreter wollten freilich eine "detaillierte Neuberechnung und nachvollziehbare Aufschlüsselung" der Sanierungskosten, wie sie "letztlich ausschlaggebend für die Entscheidung für das aktuelle Standortprojekt waren" – eine entsprechende "Veranlassung" ist dem Protokoll des bisher letzten Stiftungsrats im März zu entnehmen. Detaillierte Kosten für den Weiterbetrieb des Funkhauses erfragte man ebenfalls. Auf der Tagesordnung für das Donnerstag-Plenum allerdings vermissen Betriebsratsvertreter Gerhard Moser und Christiana Jankovics eine Ankündigung der entsprechenden Informationen, wie sie in einem der APA vorliegendem Mail an ihre Stiftungsrats-Kollegen kritisierten.

Tagesordnung Jahresabschluss

Weitere Punkte auf der Tagesordnung für Donnerstag sind unter anderem der Jahresabschluss (der wegen des nicht realisierten Funkhaus-Verkaufs negativ ausfällt) oder der neue Kollektivvertrag für ORF 3. Die verschobene Umstrukturierung der TV-Information wird wohl ebenfalls für Debatten sorgen. Und knapp ein halbes Jahr nach seinem Wiederantritt legt Wrabetz eine – von so manchem Stiftungsrat bereits schmerzlich vermisste – Geschäftsordnung für die Geschäftsführung vor. Das ist nicht zuletzt spannend, weil Wrabetz in seiner Bewerbung im Vorjahr eine kollegialere Führung vorgeschlagen hatte: "Wesentliche Entscheidungen sollen vom 'Board' der Direktoren gemeinsam getroffen werden", schrieb er damals.

Mehrere neue Gesichter gibt es im Stiftungsrat auch: Heinz Lederer zieht (wieder) ein, anstelle von Rudolf Ertl. Marie Ringler folgt für die Grünen auch Wilfried Embacher. Und Bettina Heise sitzt, vom Publikumsrat entsandt, statt Erich Fenninger im ORF-Atrium. Das diente dem Stiftungsrat für die Zeit des Umbaus des Hauptgebäudes als Sitzungs-Provisorium – der neu renovierte Sitzungssaal, dessen Kosten zuletzt auch vom ORF-Publikumsrat thematisiert wurden, ist noch nicht ganz fertig. Der niederösterreichische Vertreter Alberich Klinger wird somit nie dort Platz nehmen: Er nimmt am Donnerstag Abschied, ihm folgt Helmut Miernicki nach. (APA, 30.5.2017)