Bezet Beach, der nördlichste öffentliche Strand Israels kurz vor Rosh Hanikra, bleibt häufig menschenleer. Vielen Israelis ist es dort zu wenig hip.

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In der Altstadt von Akko der Souk: Baklava, Datteln, Hummus, Falafel, Gewürze, türkischer Kaffee. Nun doch auch orientalisch statt mediterran.

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Die Gegend hat viel Sehenswertes, doch sucht man nach Sehenswürdigkeiten, bleibt neben Akko nur Rosh Hanikra. Eine Gondel bringt jedes Jahr zigtausende Besucher von den weißen Kalkfelsklippen hinunter zu den viel bestaunten Grotten.

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Blick auf den Hafen von Akko.

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Drei Kugeln Eis kommen zum Dessert. Dazu ordert der Mann mit dem Rauschebart ein Fläschchen Olivenöl und gießt einen Schwung über die Sorte Grapefruit. Er darf das, er ist einer der besten Köche Israels. Ihm gehört das Restaurant Uri Buri, das nach seinem Spitznamen benannt wurde. Und das Eis? Schmeckt es noch? Ja, so gut wie vorher, nur milder.

Das ist es, was Uri Jeremias zeigen wollte: Das Bittere nimmt dem Bitteren das Bittere. Das ist für den Gaumen überraschend. Europäer irritiert eher, wie mediterran man sich hier fühlt, in diesem Fischlokal im Küstenstädtchen Akko, in Westgaliläa, im Norden des Heiligen Lands. Es riecht nach Mittelmeer, es schmeckt nach Mittelmeer, es ist ja auch Mittelmeer. Man vergisst das gern, wenn man nach Israel reist. Denn mit dem Land verbindet man meist anderes: Jesusfilme, Kibbuze und koscheres Essen. Oder auch: Sperranlagen, Attentate, Nahostkonflikt.

Das Tor Palästinas

Hinter dem Restaurant ein Netz aus Gassen mit einmal blank polierten, einmal angefressenen Steinquadern. Zum Meer hin eine dicke Stadtmauer. In den Schießscharten leere Getränkedosen und Picknickreste. Wo früher die Kanonen auf mögliche Invasoren zielten, genießt man heute Snack und Sonnenuntergang. Die Meeresbrise ist jetzt gerade kein Lüftchen, sondern ein kapitaler Wind.

Solche Winde brachten auch die Seefahrer nach Akko, eine der ältesten Städte der Welt, die schon vor Christi Geburt eine internationale Hafenstadt war und als Tor Palästinas galt. Die Griechen, die Römer, die Osmanen, die Mameluken und im Mittelalter die Kreuzritter, später die Briten – alle hatten hier irgendwann das Sagen. Heute hört man außerhalb Israels wenig von Akko, auch wenn die Altstadt samt unterirdischer Rittersäle und geheimer Tunnel vor mehr als 15 Jahren unter den Schutz der Unesco gestellt wurde.

Im Gemüsegarten

Das westliche Galiläa, das sind die im Norden Israels liegenden 22 Kilometer der Küste und etwas Hinterland – für Israelis eine Art Gemüsegarten. Die Landschaft dahinter ist hügelig und baumbestanden, dank jahrzehntelanger Pflanzaktionen. Dazwischen liegen viele Kibbuzim und Moschawim, genossenschaftlich organisierte Bauerndörfer. Es finden sich Weingüter, Farmen, Molkereien und Käsereien. Das alles hat etwas Bekannt-Mediterranes.

Eine fruchtbare Gegend, aber arm an Touristen. Die meisten Israelreisenden fahren nach Tel Aviv und Jerusalem, interessieren sich daneben für biblische Stätten. Und genau die hat Westgaliläa kaum zu bieten. Der See Genezareth, Kapernaum und Nazareth – all diese Bibelorte finden sich in anderen Teilen Galiläas, nicht im Küstenstreifen.

Mehr Araber als Juden

In der Altstadt von Akko der Souk: Baklava, Datteln, Hummus, Falafel, Gewürze, türkischer Kaffee. Nun doch auch orientalisch statt mediterran. Mittendrin Uri Buri – "Buri" ist im Hebräischen das Wort für Meeräsche. Er bewegt sich durch den Trubel, alle kennen ihn, viele grüßen ihn. Der Jude mit deutschen Wurzeln, um die 70 Jahre alt, liebt Akko. Sie ist auch die Stadt des Miteinanders, in der Araber und Juden nicht nur in einer Gemeinde, sondern teils sogar in denselben Häusern leben – in anderen Teilen Israels schwer vorstellbar.

Das Bild mit dem Olivenöl über dem Grapefruiteis: Hier stimmt es nicht. Denn bei den Menschen ist es nicht das Bittere, das Bitteres wegnimmt. Es ist eine andere Zutat, die beim Zusammenleben hilft: "Respekt", sagt Uri, der zu seinen drei eigenen Kindern noch einmal drei adoptiert hat, auch arabische. Fährt man hinein in den Westen von Galiläa, sind Siedlungen einmal jüdisch oder muslimisch, einmal drusisch oder christlich. Der Norden Israels ist die kulturell am stärksten gemischte Region, der Nordbezirk ist der einzige des Landes, in dem mehr Araber als Juden leben. Alles ist ruhig, kaum Polizei ist auf den Straßen, Mauern oder Sperranlagen sind nicht in Sicht.

Grotten und Grenzbojen

Die Gegend hat viel Sehenswertes, doch sucht man nach Sehenswürdigkeiten, bleibt neben Akko nur Rosh Hanikra. Eine Gondel bringt jedes Jahr zigtausende Besucher von den weißen Kalkfelsklippen hinunter zu den viel bestaunten Grotten. Die Seilbahn gilt als die steilste der Welt – der Blick geht direkt aufs Meer. Rosh Hanikra liegt nur hundert Meter vom Libanon entfernt. Auf dem Bergrücken zieht sich ein Grenzzaun entlang, auf dem Meer reihen sich Grenzbojen, daneben liegt sicherheitshalber ein Militärschiff.

Gefahr droht derzeit wohl kaum. Doch lange Zeit war es Touristen hier zu wenig entspannend – überhaupt in Westgaliläa, wo die Hisbollah so nah war und im letzten Libanonkrieg Raketen am Strand einschlugen. Man blieb lieber im sicheren Tel Aviv oder flog irgendwohin in der Welt. Da mochte die nördliche Ecke des Landes noch so mediterran sein, der Strand noch so schön.

Zu unhip

Schawe Zion, eine Siedlung südlich des einst berühmten Badeorts Naharija. Mittelmeervillen mit Gärten, davor der Strand. Touristen übernachten, wenn überhaupt, klassisch in Zimmers, wie man Pensionen hier nennt. Fast alle Hotelgebäude in Schawe Zion stehen leer. Bis auf eines, das Néa. Das hat Arik Semama, der bereits ein Boutique-Hotel in Tel Aviv besitzt, gerade zu einem schicken Resort im Beachhouse-Stil umgebaut. Gern würde er das Partyvolk aus der Stadt in den Norden holen. Obwohl er weiß: "Es ist wohl die letzte Destination, in der Israelis ihre Ferien verbringen würden." Zu unhip, zu wenig Nachtleben.

Semama glaubt trotzdem an sein Projekt. Diese schönen, leeren Strände. "Die Hamptons starteten ja auch so: ein kleines Dorf am Meer, mit exklusiven Häusern im Grünen." Tatsächlich steigt das Interesse an der nördlichen Küste allmählich. Ende 2012 machten lediglich fünf Prozent der israelischen Touristen Urlaub im westlichen Galiläa. Drei Jahre später waren es schon acht Prozent. Auch wenn sich die Gegend besser nicht an den Hamptons messen lassen sollte – als die Toskana Israels würde sie durchgehen. (Anja Martin, 2.6.2017)