Zu sehen im Programm "The Way to Paradise": Nagahisa Makotos knapp halbstündiger Wettbewerbsbeitrag "And so we put Goldfish in the Pool" (2016).

Foto: VIS

Wien – Das Kurzfilmfestival Vienna Shorts (VIS) macht heuer seinem Namen in mehrfacher Hinsicht alle Ehre. Nicht nur wurden Programm und Dauer gestrafft, sodass bis Dienstag knapp 350 Filme präsentiert werden, auch die Selbstbeschreibung "Independent" wurde fallengelassen. Ein nachvollziehbarer Schritt, zumal beim Kurzfilm keine allzu große Notwendigkeit besteht, sich explizit vom Kommerzkino abzugrenzen.

So zeigt sich das Festival in seiner 14. Auflage gewohnt vielfältig mit Wettbewerbsschienen für die animierte Avantgarde, internationalen wie heimischen Spiel- und Dokumentarfilmen sowie Musikvideos, die einem von Youtube nicht unbedingt sofort aufgedrängt werden. Wie bereits im Vorjahr ist das VIS zudem als sogenanntes Oscar Qualifying Festival anerkannt, sodass drei Filme auf die Longlist für die Academy Awards entsandt werden.

Melancholie und Schalk

Mit ergänzenden Programmblöcken etwa zu gekürzten Klassikern des Horrorfilms, zu Arbeiten im Zeichen der körperlichen Liebe oder einem mehrteiligen Schwerpunktprogramm zum weiten Thema Vertrauen, das gemeinsam mit Festivals aus dem Uppsala und dem polnischen Bialystok erarbeitet wurden, ist indessen von den Kürzungen nicht viel zu merken. Auch Personalen zu drei sehr unterschiedlichen Filmemachern finden noch ihren Platz.

Während der Frankokanadier Alexandre Larose, der in einer Masterclass auch Einblicke in sein Schaffen geben wird, aus analogem Material mit Überlagerungen und anderen Methoden der Verfremdung neue Blickwinkel eröffnet und dabei der Melancholie wie auch dem Schalk gleichermaßen künstlerischen Raum gibt, bescheren die visuellen Experimente von Makino Takashi (am 4. 6. im Filmmuseum zu Gast) dem Betrachter einen halluzinatorischen Trip in die unendlichen Weiten der Leinwand. Besonders intensiv sollte dies bei Takashis audiovisueller Performance Space Noise 3D zu erleben sein, mit der dieser im Rhiz (5. 6.) auftreten wird.

Grelle Träume

Mit den Arbeiten von Jacqueline Lentzou ist das junge Werk einer griechischen Regisseurin kennenzulernen, das mit erstaunlicher emotionaler Dichte überzeugt. Ganz nah heftet sie etwa in Fox ihren Blick auf drei Geschwister während eines ausgelassenen Sommertages, der sich zu einem ihrer schwersten entwickelt. Da man von Beginn an um die Tragödie weiß, wohnt dem Spiel der jungen Körper stets ein Verweis auf die sonst gern verdrängte Endlichkeit alles Irdischen inne.

Exaltiertheit, der zugleich Schwermut eingezeichnet ist, kennzeichnet auch Makoto Nagahisas And so we put Goldfish in the Pool. Der beim Sundance Festival ausgezeichnete Film erzählt die klassische Geschichte gelangweilter Jugend mit einer derartigen Fülle an Einfällen, dass es nur so rauscht und klingelt. Grelle Tagträume treffen auf Mikrowellenfadesse, während die Kamera in Höchstgeschwindigkeit rollt, einfriert oder auch schon mal wie schwerelos über die Protagonisten hinwegschwebt. Kombiniert mit dem beständigen Hinterfragen von Geschichte und Medium, kommen die gerafften Alltagsbeobachtungen eines japanischen Mädchenquartetts zwar ein wenig übersmart daher, doch Langeweile kommt in dieser knappen halben Stunde niemals auf.

In einer ganz anderen Tonart, aber visuell nicht minder üppig, präsentiert sich Cidade Pequena des Portugiesen Diogo Costa Amarante. Auf das gesprochene Wort wird zugunsten einer sorgsamen Bildkomposition weitestgehend verzichtet. So weit wie der Blick auf die Welt des sechsjährigen Frederico, so weit bleibt auch der Raum für Interpretationen. Ob manche Wahrheiten besser unausgesprochen bleiben, ist hier letztlich die entscheidende Frage. (Dorian Waller, 31.5.2017)