Brüssel/Budapest – Der ungarischstämmige US-Milliardär George Soros hat die rechtskonservative ungarische Regierung als "korrupt" bezeichnet; das Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orbán sei ein "Mafiastaat". Soros würdigte zugleich bei einer Rede am Donnerstag auf dem Brüsseler Wirtschaftsforum jene Ungarn, die sich "der Täuschung und Korruption des Mafiastaates", den Orbán errichtet habe, "mutig widersetzen".

Das Vertrauen in den Rechtsstaat reiche zum Schutz der offenen Gesellschaft nicht aus, sondern "wir müssen uns auch dafür einsetzen, an was wir glauben", zitierte die amtliche Ungarische Nachrichtenagentur (MTI) Soros. Demokratie könne nicht von außen verordnet werden, sie müsse von den Menschen selbst "verteidigt werden".

Der Milliardär begrüßte zugleich das "entschlossene Auftreten" der EU-Institutionen gegen aus Ungarn und Polen auf sie zukommende Herausforderungen. Im Zusammenhang mit der durch ihn gegründeten Budapester Central European University (CEU) betonte der Investor, das Schicksal der Hochschule sei noch nicht entschieden. Soros unterstrich seine Hoffnung, dass es durch die entschlossene Verteidigung der Freiheit der Wissenschaft und der Versammlungsfreiheit letztlich gelinge, die "langsam mahlenden Mühlen der europäischen Rechtsprechung endlich in Gang zu setzen".

"Kriegserklärung" gegen Orbán

Der Fortbestand der CEU ist durch das neue, umstrittene Hochschulgesetz der ungarischen Regierung in Gefahr geraten. Die EU-Kommission hatte im April ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen dieses Gesetzes eingeleitet. Laut EU verstößt das Gesetz gegen fundamentale Rechte des EU-Binnenmarktes sowie gegen das Recht der akademischen Freiheit. Kritiker sehen das Gesetz maßgeschneidert, um die CEU zu schließen. Premier Orbán macht kein Hehl daraus, dass er die Aktivitäten des liberalen NGO-Unterstützers Soros aus Ungarn verbannen will.

Schon früher war Orbáns Regierung in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie mit EU-Vertragsverletzungsverfahren konfrontiert. Auch die rechtskonservative Regierung in Warschau liegt in solchen Fragen im Clinch mit Brüssel.

Der Politologe Levente Boros Bank nannte die Aussagen von Soros im ungarischen Staatsfernsehen eine "Kriegserklärung" gegen Orbán und dessen Regierung. Laut dem Chef des regierungsnahen Medienbeobachtungsunternehmens Medianezö ist es "surreal", dass ein amerikanischer Milliardär auf Ersuchen der Europäischen Kommission eine Eröffnungsrede auf einem europäischen Wirtschaftsforum halten darf. Die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa sei der Traum von Soros, betonte der Politologe. Dieses Ziel sehe Soros durch das "energische Auftreten" der ungarischen und polnischen Regierung in Gefahr. (APA, 1.6.2017)