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Liegt seit Jahren auf Eis, könnte aber beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg wieder ins Rollen gebracht werden: der Ausbau der russischen Breitspurbahn (hier in Sibirien) bis Wien.

Foto: Reuters

Christian Kern sucht in letzter Zeit verstärkt die internationale Bühne. Ob er sich auf dem diplomatischen Parkett im beginnenden Wahlkampf mehr Gegengewicht zu Sebastian Kurz verleihen möchte oder einfach nur lang vorbereitete Termine wahrnimmt, diese Fragen werden je nach Lager erwartungsgemäß beantwortet. Jedenfalls trifft der Kanzler am Freitag Wladimir Putin. Ein angesichts der Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland nicht ganz unheikler Auftritt, zumal Österreich wegen seiner EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 unter besonderer Beobachtung steht.

Kern ist nicht der einzige hochrangige Gast beim St. Petersburger Wirtschaftsforum, das Putin seit Jahren als "Davos des Ostens" zum Meinungsaustausch von Polit- und Businessleuten nützt. Neben Kern gilt der indische Premier Narendra Modi als Hochkaräter bei der Paneldiskussion mit Putin an der Newa. Kurzfristig soll sich auch Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel zum Event angesagt haben.

Ausbau der Breitspurbahn

Begleitet wird der Kanzler von zahlreichen Geschäftsleuten und Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl. Die größten Ambitionen hat sicherlich die OMV, deren Chef Rainer Seele mit im Tross ist. Beim Einstieg in zwei große Gasfelder in Sibirien sowie beim Bau der zweiten Röhre der Ostseepipeline Nord Stream kann politischer Antrieb – Sanktionen hin oder her – nur nützlich sein.

Kern könnte überdies ein Projekt vorantreiben, das er aus seiner beruflichen Vergangenheit noch gut kennt. Russland forcierte nun fast schon seit Jahrzehnten den Ausbau der Breitspurbahn nach Zentraleuropa. Die führt derzeit bis in die Ostslowakei und könnte bei einer Fortsetzung bis Wien den Güterverkehr von Asien nach Europa massiv beflügeln. Allerdings haben sich die Kosten von rund sieben Milliarden Euro bisher als Stolperstein erwiesen. "Das liegt seit Jahren auf Eis", meint dazu ein Eingeweihter.

Doch nun sind drei neue Machbarkeitsstudien nicht nur in Arbeit, sondern demnächst auch fertig. Auch die Slowaken, die sich lange gegen das Projekt sträubten, stehen angeblich wieder dahinter. Bis 2030, so der ambitionierte Plan, soll die 600 Kilometer lange Strecke fertig sein. Das Thema wird in Petersburg besprochen. Unklar bleibt, wie die Ukraine, ein potenzieller Partner der Strecke, das Projekt goutiert.

Russland auf Partnersuche

Putin klagte vor dem Gipfel über die "überschwappende Russophobie" im Westen, bot den Europäern aber auch erneut eine wirtschaftliche Partnerschaft an. Traditionell steht für Moskau dabei der Energiebereich im Mittelpunkt. Putin nannte die Polarhalbinsel Jamal, auf der seinen Angaben nach unlängst neue Gasreserven in Höhe von 4,2 Billionen Kubikmetern gefunden wurden, als mögliches Objekt für eine "absolut logische Partnerschaft". Zuletzt hatte Russland seine Gasreserven dort über LNG-Projekte eher Richtung Asien orientiert.

Aus Wiener Sicht erfreulich ist, dass der bilaterale Handel nach mehrjährigem Einbruch wieder anzuspringen scheint. Darauf deutet zumindest der Exportanstieg in den ersten zwei Monaten 2017 von 41 Prozent hin, nachdem es 2016 noch um fünf Prozent nach unten ging – auf gut 1,8 Milliarden Euro. Sanktionen, Ölpreisverfall und Rubelabwertung haben ihre Spuren hinterlassen. Russland versucht die Sanktionen durch die Substitution von Importen durch Produktion im Inland abzufedern, was die Exporttätigkeit nicht gerade erleichtert. Teilweise verzeichnet Putin dabei aber auch Erfolge, weil internationale Konzerne Produktionsstätten in Russland errichten. (Andreas Schnauder, André Ballin aus St. Petersburg, 1.6.2017)