Durchschnittlich isst ein Mensch nur 20 Gramm Ballaststoffe täglich.

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Der mensch braucht Ballaststoffe zum Überleben. Denn sie dienen wichtigen Bakterien als Nahrung und helfen der Gesundheit: Sie schützen vor Krebs und Gallensteinen, sie regulieren den Blutzucker und senken das schlechte LDL-Cholesterin, sie schützen vor Herzinfarkt und Bluthochdruck und auch vor Diabetes, das war bisher bekannt.

Noch im Jahr 1800 verzehrten die Menschen täglich fast ein Kilo Vollkornbrot – etwas anderes gab es damals nicht. Und sie nahmen allein durch Brot 100 Gramm Ballaststoffe pro Tag auf. Heute kommt der Mensch täglich auf gerade einmal 20 Gramm Ballaststoffe insgesamt. Ernährungswissenschaftler raten, dass wir am Tag wenigstens 30 Gramm davon aufnehmen sollten, Diabetiker sogar mindestens 40 Gramm. Die genaue Wirkungsweise der Ballaststoffe war lange unklar.

Aktuelle Forschungen legen nun nahe, dass nicht die Ballaststoffe direkt für die günstigen Wirkungen für die Gesundheit verantwortlich sind, sondern die sogenannten kurzkettigen Fettsäuren, die der Darm aus Ballaststoffen bilden kann. Die gute Nachricht: Die kurzkettigen Fettsäuren, die dem Organismus sonst fehlen, lassen sich in Form von Propionaten gezielt zuführen, sagen Wissenschaftler.

Zusammensetzung korrigieren

Kurzkettige Fettsäuren sind aktuell Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. Einig sind sich die Wissenschaftler mittlerweile über den Zusammenhang zwischen Ballaststoffen und kurzkettigen Fettsäuren: Ballaststoffe dienen bestimmten Bakterien im Darm als Nahrungsquelle. Die Bakterien wiederum bilden daraus kurzkettige Fettsäuren . Der Schlüssel für eine gute Gesundheit scheint die Fähigkeit der kurzkettigen Fettsäuren zu sein, die Darmflora gezielt positiv zu verändern und eine ungünstige Zusammensetzung der Darmbakterien zu korrigieren. Weiterhin beeinflussen kurzkettige Fettsäuren auch direkt Vorgänge im menschlichen Körper.

Kurzkettige Fettsäuren dienen nach dem aktuellen Stand der Forschung besonders denjenigen Darmbakterien als "Futter", die eine besondere Schutzfunktion für den Menschen haben: Sie können Entzündungen im Körper verhindern und vor einem Angriff des menschlichen Organismus auf körpereigene Zellen schützen, der Ursache für zahlreiche Autoimmunerkrankungen – wie etwa Multiple Sklerose, Schuppenflechte, Rheuma oder Allergien. Ein weiterer positiver Effekt: Die kurzkettigen Fettsäuren, die beim Abbau der Ballaststoffe entstehen, stimulieren zusätzlich die Darmmotorik.

Zusätzlich haben kurzkettige Fettsäuren auch direkt einen positiven Einfluss auf den menschlichen Körper: Sie können unter anderem dabei helfen, den Wert des negativen LDL-Cholesterins zu senken, die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse anzukurbeln und gleichzeitig die Empfindlichkeit der Körperzellen gegenüber Insulin zu erhöhen – und damit Diabetes vorzubeugen. Durch die Ausschüttung bestimmter Darmhormone helfen die kurzkettigen Fettsäuren, ein Sättigungsgefühl entstehen zu lassen und die Magenentleerung zu verlangsamen.

Grundlage entzogen

Voraussetzung dafür, dass dem Organismus genügend dieser Fettsäuren zur Verfügung stehen, ist laut neuester Forschung die ausreichende Verfügbarkeit von löslichen Ballaststoffen. Bei vielen Mitteleuropäern hat die moderne, ballaststoffarme Ernährungsweise aber dazu geführt, dass die wichtigen schützenden Darmbakterien nicht in ausreichender Zahl vorkommen und nicht genug kurzkettige Fettsäuren von der Darmflora produziert werden. Der Grund: Den Bakterien wird durch die zu geringe Verfügbarkeit von Pflanzenfasern und Ballaststoffen die Nahrungsgrundlage entzogen.

Der Mangel lässt sich ausgleichen: Studien, bei denen unter anderem Propionat, das Salz der Propionsäure, zum Einsatz kommt, lassen den Schluss zu, dass auch die gezielte Einnahme kurzkettiger Fettsäuren hilft, die Darmflora positiv zu beeinflussen – und die angesprochene Schutzfunktion zu stärken.

Viele Mediziner sind heute überzeugt: Die Tatsache, dass viele Menschen offenbar zu wenige kurzkettige Fettsäuren selbst produzieren wegen zu geringer Ballaststoffaufnahme, ausgelöst durch die ungünstige Ernährung, könnte also eine wesentliche Ursache für den Anstieg von Zivilisationskrankheiten wie Allergien, Autoimmunerkrankungen oder Diabetes Typ 2 sein. (red, 3.6.2017)