Bild nicht mehr verfügbar.

Kanzler Kern auf dem Weg nach St. Petersburg ...

Foto: AP/Artyom Korotayev

Bild nicht mehr verfügbar.

... zum dortigen Wirtschaftsforum, das Präsident Wladimir Putin als große Bühne dient (in der Bildmitte der indische Premier Narendra Modi).

Foto: REUTERS/Vladimir Smirnov

Wenn es um russisch-österreichische Beziehungen geht, steht meist die Wirtschaft im Mittelpunkt. So auch beim Besuch von Bundeskanzler Christian Kern am Freitag in St. Petersburg anlässlich des dortigen Wirtschafts forums, das Präsident Wladimir Putin als internationale Bühne dient. Im Windschatten des SPÖ-Chefs sind große Unternehmen wie OMV oder ÖBB an einer Vertiefung der Beziehungen interessiert, ebenso der auch in St. Petersburg weilende Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl. Kern will als "Türöffner" fungieren, Berührungsängste mit dem sanktionierten Kreml-Reich hat er nicht.

Auch wenn der Kanzler immer wieder betont, dass er "eine Rolle in der EU" zu erfüllen habe, also sich an das der Krim-Annexion und dem Konflikt in der Ostukraine geschuldete Embargo hält: Eine Normalisierung der Beziehungen wäre laut Kern wünschenswert, zumal die Sanktionen Österreich Nachteile gebracht hätten. 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mache der Schaden aus, den die heimische Wirtschaft durch die Restriktionen verloren habe.

Kern setzte sich für eine Reduktion der Sanktionen Zug um Zug je nach Fortschritt bei den im Minsker Abkommen ausgehandelten Maßnahmen ein. Was unspektakulär klingt, kommt Putin entgegen, widerspricht die österreichische Position doch jener der EU. Letztere beharrt auf der Erfüllung sämtlicher Bedingungen, bevor die Sanktionen gelockert werden können. In einer Podiumsdiskussion mit Putin, Kern, dem indischen Premierminister Narendra Modi und dem moldawischen Präsidenten Igor Dodon sagte der Österreicher, er strebe eine möglichst rasche Lösung an und sei diesbezüglich optimistisch.

"Kein Desaster"

Putin ließ keine Selbstkritik aufkommen, verteidigte den Kurs Moskaus und warf Kiew Einschränkung der Medienfreiheit vor. "Wir können Minsk nicht einseitig erfüllen." Der Kreml-Chef räumte zwar ein, dass die Sanktionen dem Land geschadet hätten, sieht aber auch positive Faktoren. Die Hürden für Importe seien mitverantwortlich, dass die Inlandsproduktion gestärkt worden sei. Somit seien die Sanktionen "kein Desaster" gewesen.

Wie stark sich Vertreter der österreichischen Wirtschaft für Russland einsetzen, machten sie ebenfalls beim Petersburger Forum deutlich. Leitl hält die Sanktionen für "Unsinn". "Es war eine Illusion zu glauben, dass man Russland damit in die Knie zwingt", sagte der Kammerchef.

Im Hintergrund ist zu hören, dass man eigentlich nur auf einen Anlass wartet, um die Sanktionen zu beenden. Es bedürfe eines "Signals" aus Moskau, um mit einer Zug-um-Zug-Lösung zu beginnen, die übrigens auch von Außen minister Sebastian Kurz forciert wird. Kern kann sich in so einem Fall ein Ende der Sanktionen im Finanzbereich vorstellen, wie er erklärte. Dass selbst im unrealistischen Fall einer Umsetzung des Minsker Abkommens immer noch der Konflikt wegen der Krim -Besetzung bliebe, stellt für Kern kein Hindernis dar: "Die Krim wird man zur Kenntnis nehmen müssen", meinte der Regierungschef. Das bedeute nicht, dass man die Situation akzeptiere, aber in der EU rechne niemand mit einer radikalen Veränderung der Lage.

Wie intensiv die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Russland trotz der diplomatischen Spannungen sind, hat am Freitag neuerlich die OMV unterstrichen. Sie hat mit der Gazprom-Ölproduktionstochter Gazprom Neft eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Erschließung von zwei Ölfeldern im Iran unterzeichnet, für die sich die Österreicher interessieren. Bei Produktionsstätten, die die Russen im Iran im Auge haben, solle sich umgekehrt die OMV beteiligen, erklärte der Chef des teilstaatlichen Konzerns, Rainer Seele.

Wien–Moskau–Teheran, eine wirtschaftlich wie politisch delikate Achse, hält man sich die russisch-iranische Allianz im Nahen Osten vor Augen. In "intensiven Gesprächen" befindet sich die OMV überdies mit Gazprom Neft betreffend einer Beteiligung an Förderstätten in Russland. Und dann wäre da noch der geplante Tausch von Aktivitäten zwischen OMV und Gazprom, bei dem die Österreicher Zugang zu einem sibirischen Gasfeld erhalten und im Gegenzug Nordsee-Ölförderstätten an die Russen abtreten wollen.

Warten auf Oslo

Das Gasgeschäft hängt allerdings seit geraumer Zeit an Norwegen, das Vorbehalte gegenüber der Gazprom hat. Kern hofft auf Bewegung in Oslo, weil die Nordsee-Investitionen bereits rückläufig seien. Auch beim österreichischen Gasnetz mischt Russland mit: Die OMV will die von der Gas Connect Austria betriebenen Pipelines ausbauen, weil der Gastransit durch Österreich wachsen soll – dank Energie aus Russland.

Auch die ÖBB hat große Pläne. Mit einer Breitspurbahn von der Ostslowakei bis nahe Wien will man den Anschluss an die Transibirische Eisenbahn schaffen und den Güterverkehr aus Asien forcieren. Mit 6,4 Milliarden Euro bezifferte Kern die Kosten, wobei das Projekt nicht vor 2030 fertig werden dürfte. (Andreas Schnauder, 2.6.2017)