Fertigteilvilla in Ischl: wiegt 30 Tonnen, besteht aus Pechkiefer, kam aus Chicago.

Foto: Amalthea-Verlag

Marie-Theres Arnborn, "Die Villen von Bad Ischl". € 25,00 / 272 Seiten. Amalthea-Verlag, Wien 2017

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Das Spektakel rund um die Errichtung von Oscar Blumenthals Domizil in Bad Ischl muss Stadtgespräch gewesen sein: ein Fertigteilhaus, das zuvor bei der Weltausstellung in Chicago 1893 für Furore gesorgt hatte. Eine Novität, die der Berliner Schriftsteller und Dichter kurzerhand ins Salzkammergut importierte.

1894 ist sein erster Besuch in Ischl dokumentiert, 1895 sein nächster. Im gleichen Jahr weilt hier auch ein Fabriksdirektor aus der deutschen Küstenstadt Wolgast namens Heinrich Kraeft in Begleitung seiner Tochter. Ein Aufenthalt, der mit einer beruflichen Mission verbunden war. Der gewiefte Schiffsbaumeister hatte 1890 begonnen, zusätzlich zu seinen Booten auch seriell gefertigte Häuser zu entwickeln. Das in Chicago präsentierte Modell aus Pechkiefer wog etwa 30 Tonnen, war in Einzelteilen mit der Bahn nach Ischl transportiert und hier wieder aufgebaut worden. An einem Waldweg Richtung Lauffen steht diese Villa noch heute.

Aus historischer Sicht wurde sie zur Geburtsstätte der Erfolge Oscar Blumenthals, etwa auch des 1896 gemeinsam mit Gustav Kadelburg verfassten Lustspiels Im weißen Rössl. Dem Original, das im Laufe der Jahrzehnte gegenüber der gleichnamigen Operette in den Hintergrund rückte. Die Villa Blumenthal ist eine von 40, deren Geschichten und Lebenswege einstiger Besitzer und Bewohner die Historikerin Marie-Theres Arnbom in akribischen Recherchen bis in die Nachkriegsjahre rekonstruierte. Die Villen von Bad Ischl – Wenn Häuser Geschichten erzählen erschien Ende April im Amalthea-Verlag. Die erste Auflage von 3000 Stück war schnell vergriffen, das zeugt vom anhaltenden Publikumsinteresse an historischer Kost der bekömmlichen Gattung: fundiert recherchiert, ohne inhaltlich und sprachlich schwerfällig zu sein.

Wohldosierte Nostalgie

Die geschichtsträchtige Entdeckungsreise nach Bad Ischl, Inbegriff der Sommerfrische und tradierter Kaiserseligkeit, gelingt der Autorin ohne verklärten Blick und mit wohldosierter Nostalgie. Dabei ist Arnbom in einem positiven Sinn "vorbelastet", als das Salzkammergut auch in ihrer Ferienvita eine Hauptrolle spielt und Mah-Jongg-Abende zur Familientradition gehören.

In den 1920er-Jahren hatte um dieses Spiel ein regelrechter Hype eingesetzt und stand als Glücksspiel freilich auch im 1924 eröffneten Ischler Kasino in der ehemaligen Kronprinzenvilla auf dem Programm. Fritz Löhner-Beda, der Fachmann für Operettenlibretti und Schlagertexte, griff das Modespiel gemeinsam mit Jara Benes im Mah-Jongg-Blues auf. Löhner-Beda war ebenfalls Stammgast in Ischl, bis 1932 im Hotel Post, danach im eigenen Refugium: der Villa Felicitas, die Kaiser Franz Joseph einst für Katharina Schratt gemietet hatte. Der Kaiser, der sich hier mit Elisabeth (Sisi) verlobte und dessen Geburtstag am 18. August den Höhepunkt der zeitgleich offiziell beendeten Saison markierte, ist wesentlicher Teil des Ischler Nimbus. Der andere wird vom Großbürgertum, von Aristokraten und Adabeis, Industriellen und Künstlern wie der Operettengesellschaft genährt. Manche Vertreter sind geläufig, andere gerieten in Vergessenheit. In Arnboms Inszenierung bekommen sie alle ihren Auftritt: Franz Lehár (Villa heute ein Museum) oder Emmerich Kálmán (Mieter der Sarsteiner-Villa), auch die "Golze", wie die Schriftsteller-Zwillinge Emil & Arnold (Rosenstöckl) genannt werden.

Zwischendurch betritt auch der König von Siam die Bühne: Tschulalongkorn, der 150 Kinder sein Eigen genannt haben soll und sich samt Gefolge im Juni 1897 in Ischl einfand. Im Grandhotel Bauer nahm man nicht weniger als 36 Zimmer in Beschlag. Die Kurkapelle hatte eigens die siamesische Volkshymne einstudiert.

Das Jahr 1938 bescherte dieser Idylle eine herbe Zäsur, auch das ist Teil der Geschichte der Ischler Villen, die vielfach in jüdischem Besitz waren. "Beispiellos in seiner Radikalität und Menschenverachtung" schildert Arnbom die Fakten dieses akkurat ausgeführten Unternehmens, das von Drohungen und Einschüchterungen geprägt war. Der größte Profiteur war der Gau Oberdonau, der eine Chance sah, seine finanziellen Probleme zu beheben. Gemanagt von Wilhelm Haenel, dritter und um 21 Jahre jüngerer Ehemann von Ella Pancera, die für ihre Paganini-Variationen legendäre "Clavier-Walküre" und die von ihrem 14. Lebensjahr bis zu ihrem Tod 1932 ihre Sommer in Ischl verbrachte. Haenel, Ingenieur bei den Berliner Gaswerken, beginnt sich schon 1936 für die NSDAP zu engagieren. Er ist von der eifrigen Sorte, und sein Plünderungsgebiet erstreckt sich bis Bad Aussee. Bei zwölf der 40 kapitelweise porträtierten Gebäude ist er in die Enteignung involviert, tatsächlich waren es noch mehr.

Wenn es einer Gebrauchsanweisung eines solchen historischen Substrats bedarf, empfiehlt die Autorin zwei Varianten. Entweder Seite für Seite lesen oder einen Streifzug vor Ort, mitsamt vorgeschlagener Routen. (Olga Kronsteiner, 3.6.2017)