Lange schien es, als scheitere die Heimreise tausender Afghanen aus Österreich und anderen EU-Staaten allein am Fehlen gültiger Rückreisepapiere. Mit Inkrafttreten des EU-Afghanistan-Abkommens im vergangenen Oktober, das mit beträchtlichen Zahlungen an Kabul verbunden ist, glaubte man, dieses Problem beseitigt und die überfälligen Abschiebungen in Gang gebracht zu haben. Die Botschaften kooperierten jetzt. Doch dafür spitzte sich in Afghanistan die Lage immer weiter zu.

Diese Zuspitzung hat inzwischen ein solches Level erreicht, dass eine Rückkehr nach und eine Existenzgründung in Afghanistan menschenrechtlich unzumutbar sind. Spätestens seit dem schweren Anschlag mit über 90 Toten im Zentrum Kabuls am Mittwoch ist der islamistische Terror mit voller Wucht in die Städte zurückgekehrt: in jene afghanischen Städte, in denen es laut den in den österreichischen Asylverfahren verwendeten Länderberichten und Gutachten angeblich sicher genug ist.

Das sind sie nicht, weder für Touristen noch für rückgeführte Afghanen, zwischen denen man im Innenministerium nun einen Unterschied zu machen versucht. Doch Menschenwürde kennt nur ein Maß, also werden Afghanistan-Abschiebestopps à la Deutschland mittelfristig auch in anderen EU-Staaten unvermeidbar sein. Dann wird man auch über die Sinnhaftigkeit von Abkommen diskutieren müssen, die allein auf Abschiebungen setzen. (Irene Brickner, 2.6.2017)