Komödie zwischen Tanz und Musik: Monika Gintersdorfers Truppe La Fleur, darunter afrikanische und europäische Performerinnen, arbeiten sich an einem global wirksamen Hedonismus ab.

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Wien – Aus Honoré de Balzacs Erzählung Das Mädchen mit den Goldaugen hat die von Monika Gintersdorfer betriebene neue Performancegruppe La Fleur ihr erstes Stück, Die selbsternannte Aristokratie, gebastelt. Die Uraufführungsfassung bei den Festwochen im Museumsquartier, wo vor kurzem Gintersdorfers und Knut Klaßens Die Entführung aus dem Serail zu sehen war, läuft nur noch bis Samstag.

Schade eigentlich, weil diese Arbeit einen guten Eindruck von speziellen kulturellen Aktivitäten schwarzafrikanischer Immigranten in Paris und Hamburg vermittelt und noch dazu einen Blick auf den Spaß eines popkulturellen Dandytums in der ivorischen Stadt Abidjan gestattet. Die musikalische Modeerscheinung mit eigenem Tanzstil nennt sich "Coupé Décalé" und bezeichnet einen subversiv-zwielichtigen Lebensstil: fladern ("couper") in Paris, die Beute nach Hause transferieren ("décaler") und dort als "selbsternannte Aristokratie" mit großem Protz und Glamour zum Fenster hinauswerfen ("travailler").

La Fleur transferiert Balzacs Geschichte über die Eroberung und Ermordung einer schönen Paquita samt Darstellung des dekadenten Paris der 1830er-Jahre in die hedonistische Szene von "Coupé Décalé". Balzacs Einteilung der Gesellschaft in Proletarier, Klein- und Großbürger und Aristokratie wird übernommen, eine fünfte Klasse, die Künstler, allerdings nur indirekt untergejubelt. Mit von der Partie sind afrikanische wie europäische Performerinnen und Performer wie Gadoukou la Star, Marion Siefert, Elisabeth Bakambamba Tambwé oder Meko, deren meist französische Worte von Matthieu Svetchine live ins Deutsche übersetzt werden, und Cora Frost mimt eine Erzählerin.

Aus dem Mädchen mit den Goldaugen ist ein schrottiger Schwank mit Tanz und Musik geworden: ein der Krone von Balzacs OEuvre entrissener und veredelter Splitter. Gepokert wird mit dem französischen Literaturkanon, ernst genommen wird ein hedonistischer Identitätsfirlefanz inklusive Gendermischmasch, spekuliert wird mit angeberischer "Selbstermächtigung". Dabei gelingt eine kühne Parodie auf das alte und neue Elitengetue in Europa, das seine Dünkel immer wieder neu versammelt.

Als tatsächlich riskant erweist sich das Spiel mit der Anmaßung auf anderen Ebenen. Schließlich sind Überheblichkeit und hochstaplerische Selbstdarstellung in verschiedenen Ausformungen zu tragenden Bestandteilen eines globalen, auf Hedonismus gerichteten Lifestyles geworden. Das "Couper-Décaler-Travailler" verströmt eine bedrückende Underdog-Atmosphäre, könnte aber auch bestehenden Vorurteilen neue Nahrung geben. (Helmut Ploebst, 2.6.2017)