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Israelische Soldaten am 7. Juni 1967 auf dem Weg zum Felsendom (im Bild) und der Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg, der unter israelische Kontrolle geriet.

Foto: AP

"Der Sechstagekrieg hat uns und den Arabern gezeigt, dass sie uns nicht auslöschen können", sagt der Israeli Uri Dromi, "und das hat dazu geführt, dass die Araber die Existenz Israels akzeptiert haben, natürlich verbunden mit der Formel 'Land gegen Frieden'." Beim Palästinenser Sari Nusseibeh klingt es ähnlich: "Was militärische Optionen betrifft, war 1967 ein Gezeitenwechsel – die arabischen Staaten haben verstanden, dass sie nichts tun konnten und dass Israel ein Faktum ist."

Dromi, früher Mitarbeiter des 1995 ermordeten Premiers Jizchak Rabin und heute Präsident des Jerusalem Press Club, war 1967 als 20-jähriger Flugnavigator unter den ersten Israelis, die auf der eroberten Sinaihalbinsel landeten. Der 68-jährige Nusseibeh, Philosophieprofessor an der Al-Quds-Universität und früher PLO-Vertreter in Jerusalem, lebt bis heute im Haus seiner Eltern in der Ostjerusalemer Nablus-Straße – unmittelbar dahinter verlief 1967 die Frontlinie, und mitten in Nusseibehs schönem Garten kann man heute noch eine jordanische Bunkerstellung bestaunen. Die Landkarte und die Bewusstseinslage wurden im Juni vor 50 Jahren zwar völlig verändert, aber die Probleme, die zum Sechstagekrieg geführt haben, und die Probleme, die durch ihn geschaffen wurden, begleiten die Region bis jetzt.

Vorausgegangen waren nervenzerrüttende Wochen, in denen Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser den Abzug der Uno-Grenztruppen erzwungen, den Golf von Aqaba blockiert und die Vernichtung des 19 Jahre zuvor gegründeten jüdischen Staates angekündigt hatte. "Das Gefühl war wirklich, dass wir existenziell bedroht sind", erinnert sich Dromi. "Später haben wir gehört, dass man Massengräber für die vielen Toten vorbereitet hat, die wir haben würden." Die Soldaten allerdings, präzisiert Dromi, teilten dieses Gefühl nicht, sondern waren siegessicher.

"Imperium über Nacht"

Als dann noch Jordanien und der Irak dem ägyptisch-syrischen Militärpakt beigetreten waren, schlug die israelische Luftwaffe in den Morgenstunden des 5. Juni los. Nach wenigen Tagen hatte Israel die Ägypter aus dem Sinai und dem Gazastreifen hinausgedrängt, die Jordanier aus dem Westjordanland und Ostjerusalem und die Syrer aus dem Großteil der Golanhöhen. Die Palästinenser kämpften in dem Krieg nicht selbst mit, denn "wir waren keine Armee, wir waren untrainiert und unorganisiert", so Nusseibeh, und der Ausgang war für sie tragisch und schmerzhaft, doch daraus habe sich ein "palästinensisches Bewusstsein" entwickelt: "Das Paradoxe ist, dass Israel 1967 den Krieg gewonnen hat, aber wir Palästinenser dadurch geografisch wieder zusammengefunden haben – zwischen 1948 und 1967 waren ja Gaza und das Westjordanland getrennt, und die Palästinenser im Westjordanland waren von den israelischen Arabern getrennt."

Er freute sich am Anfang sogar darüber, dass in der bis dahin geteilten Stadt Jerusalem, in der er aufgewachsen war, "die beiden Hälften wieder zusammenkamen": "Ich habe damals noch nicht verstanden, dass die Israelis uns nicht in ihrem Staat wollten und dass auch wir unseren eigenen Staat wollten." In Israel herrschte nach dem wie ein Wunder empfundenen Blitzsieg Euphorie. "Vor dem Krieg brauchte man zum Überfliegen von ganz Israel von West nach Ost vielleicht drei Minuten", erklärt Dromi, "und ich erinnere mich an den ersten Flug in den Sinai, plötzlich waren wir nicht mehr klein, wir haben uns gefühlt, als wären wir über Nacht ein Imperium geworden."

"60-Jahre-Krieg"

Die Dämpfer sollten bald folgen in Form des "Abnutzungskriegs" mit Ägypten von 1968 bis 1970 und dann des Jom-Kippur-Kriegs 1973. Im Rahmen des Friedensvertrags mit Ägypten hat Israel bis 1982 den Sinai zurückgegeben, und 2005 sind die Israelis aus dem Gazastreifen abgezogen. Eine Konsequenz des Sechstagekriegs war es, dass die Israelis begonnen hatten, das Westjordanland zu besiedeln, worin die Palästinenser das größte Hindernis für ihren erwünschten Staat sehen. Verhandlungen, die den Konflikt endgültig lösen sollten, sind seit 1991 regelmäßig ins Leere gelaufen.

Dromi glaubt trotzdem noch an eine Zweistaatenlösung: "Der Großteil des Westjordanlands ist noch immer verhandelbar, und wir müssen uns mit den Palästinensern hinsetzen und über Land für Frieden verhandeln." Allerdings: Es gebe noch immer Extremisten in der muslimischen Welt, die Israels Existenz nicht hinnehmen – "deshalb führt Israel noch immer nicht nur den Sechstagekrieg weiter, sondern seinen Unabhängigkeitskrieg".

"Was wir den Sechstagekrieg nennen, ist eigentlich ein 60-Jahre-Krieg, er ist noch nicht vorbei", echot Nusseibeh, aber er weist auch auf eine Chance hin: "Seit diesem Krieg sehen wir einander von Angesicht zu Angesicht, wir kennen uns selbst und die andere Seite besser, wir sind reifer geworden und deswegen besser fähig, die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen – denn die Zukunft von uns Palästinensern wird mit der Zukunft der Israelis jedenfalls verflochten sein." (Ben Segenreich aus Jerusalem, 5.6.2017)