74 Wohnungen in städtisch wirkenden Punkthäusern von POS Architekten ...

Foto: Wohnbund:Consult

... und weitere 63 Einheiten in lockerer Bauweise von SHS-Architekten: In dieser Anlage an der Gerasdorfer Straße steht weniger die Ästhetik im Mittelpunkt als die Wohnzufriedenheit und die Gemeinschaftsbildung.

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Schon vor der Besiedelung fanden Round-Table-Gespräche mit Mietern statt, und das gemeinsame Gespräch bleibt zentrales Element.

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Auf dem Dach gibt es eine Yogaterrasse. "Beim Sonnengruß", sagt Alexander Simon, "hat man da oben ein Freiheitsgefühl wie auf einem Berggipfel, nur vielleicht nicht ganz so hoch." Auch bei der Aussicht muss man wohl Abstriche machen, denn obwohl die Häuser rundum von Feldern, Stadtrandallerlei und Stammersdorfer Zentralfriedhof umgeben sind, wurde die Parzelle entlang der Gerasdorfer Straße in den vergangenen Jahren eifrig bebaut. Im Zuge eines 2010 ausgeschriebenen Bauträgerwettbewerbs wurden insgesamt rund 680 neue Wohnungen geschaffen.

"Wir wollten einen Beitrag für ein künftiges Wohnmodell nachhaltiger Lebensweise leisten", sagt Simon, Partner und Geschäftsführer von SHS Architekten. Gemeinsam mit POS Architekten und den beiden Bauträgern Frieden und Siedlungsgenossenschaft Neunkirchen (SGN) plante er auf einem der fünf Teilgebiete 137 Wohneinheiten. Im Zentrum des Konzepts steht nicht nur ein üppig geplanter Grünraum, der dem Projekt den etwas sperrig zu kommunizierenden Titel grünER LEBEN bescherte, sondern vor allem auch das Thema Partizipation und Nachbarschaftsbetreuung.

"Der Garten ist für mich einer der zentralen Bestandteile unserer Bebauung", meint der Architekt. "Es gibt Spielplätze, topografische Höhenunterschiede, Flächen für Urban Gardening und Wege und Gässchen wie in einer Gartenstadt." Kleine Holzpodeste, die quer über das Areal verstreut sind, laden zum Sitzen und Verweilen ein. Generell wirkt die Gartenplanung, für die die Wiener Landschaftsarchitektin Carla Lo verantwortlich zeichnet, unaufgeregt und niederschwellig. Die Sitzgelegenheiten werden an diesem frühlingshaften Nachmittag rege angenommen.

Community-Center

Während SHS 63 Wohnungen in recht lockerer Bauweise errichtet hatte, planten POS Architekten 74 Wohneinheiten in städtisch wirkenden Punkthäusern sowie einen siebengruppigen Kindergarten. Hinzu kommen gemeinschaftliche Einrichtungen wie etwa ein Community-Center oder eine Fahrradgarage mit Werkstatt für diverse Reparaturen in Eigenregie. Hinter dem Begriff Community-Center verbirgt sich nichts anderes als ein 200 Quadratmeter großer Gemeinschaftsraum mit Küche, Sitzlandschaft, Tischtennistisch und Wuzler. Eine Tür führt direkt in den angrenzenden Kindergarten.

"Noch wird die Verbindungstür zwischen Community-Center und Kindertagesstätte nicht benötigt", erklärt Architektin Ursula Schneider von POS. "Aber wer weiß schon, was morgen sein wird. Daher haben wir uns im Sinne der sozialen und funktionalen Nachhaltigkeit bereits für alle Eventualitäten gewappnet. Eines Tages könnten sich die Synergieeffekte für Partys, Sommerfeste und diverse Veranstaltungen als hilfreich erweisen. Dann muss man nicht mehr umbauen, sondern nur noch den Schlüssel umdrehen."

Sämtliche Mietkaufwohnungen sind in Passivhausqualität ausgeführt. Das Spektrum reicht von zwei bis vier Zimmern, wobei ein Teil der Wohnungen als Maisonettes ausgeführt ist. Eine Besonderheit im POS-Bauteil sind sehr kompakte Dreizimmerwohnungen mit 55 bis 58 Quadratmetern Wohnfläche. "Die haben wir geplant, noch lange bevor der Begriff Smart-Wohnen en vogue wurde", so Schneider.

Unsichtbare Qualitäten

So weit, so gut. Tatsächlich wirkt die weiß-grau verputzte Wohnhausanlage im äußersten Floridsdorf weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick sonderlich aufregend. Alles scheint gut zu funktionieren, einen Pritzker-Preis wird es dafür aber nicht geben. Und tatsächlich sind die wahren Qualitäten von grünER LEBEN unsichtbar, denn diese liegen weniger in der Architektur als vielmehr im sorgfältig gestalteten und begleiteten sozialen Miteinander.

Das Wiener Unternehmen Wohnbund:Consult hat das Projekt schon in der Wettbewerbsphase mitgeplant und die Bewohnerinnen und Bewohner in einem partizipativen Prozess eineinhalb Jahre lang mit an Bord genommen.

"Wir haben uns starkgemacht für gewisse soziale, gemeinschaftliche Einrichtungen", sagt Lukas Oberhuemer, Projekteiter Besiedelungsmanagement, im Gespräch mit dem STANDARD. Besonders spannend sei es gewesen, nicht nur die Bewohnerinnen, sondern auch zwei Architekturbüros und zwei völlig unterschiedlich arbeitende Bauträger an einen Tisch gebracht zu haben. "Doch am allerwichtigsten ist in so einer Wohnhausanlage nicht das Raumprogramm, sondern die Art und Weise, wie dieses kommuniziert und in Workshops mit den künftigen Bewohnern entwickelt und konkretisiert wird."

Schon vor Besiedelung fanden diverse Round Tables statt, bei denen sich die Mieterinnen kennenlernen und ihre Wünsche und Vorstellungen miteinander teilen konnten. "Das ist ein essenzieller und unverzichtbarer Prozess, wenn man erreichen will, dass die Menschen miteinander in Kontakt treten und eine aktiv gelebte Nachbarschaft entwickeln." Oder anders formuliert: "Die tollsten Gemeinschaftsräume bringen nichts, wenn es im Haus keine Gemeinschaft gibt, die diese Räume miteinander nutzt."

Verantwortung zurückgeben

Nachbarschafts-Building und Community-Coaching, so Oberhuemer, brauchen Zeit. Es braucht vor allem Zeit, die Mieterbetreuung nach und nach abzubauen und die Verantwortung Stück für Stück den Bewohnern zurückzugeben. Am Ende haben alle etwas davon: Die Faktoren heißen Interesse, hohe Identifikation mit dem Projekt, wenig soziale Spannungen, geringe Fluktuation und eine hohe Wohnzufriedenheit, wie sich in der soeben abgeschlossenen Evaluierung gezeigt hat. (Wojciech Czaja, 7.6.2017)