BVB-Mannschaftsbus, der am 12. April eingesetzt wurde. Am Vorabend explodierten neben einem anderen Mannschaftsbus von Borussia Dortmund drei Sprengsätze.

Foto: APA/dpa/Marius Becker

Am 11. April ereignete sich ein Anschlag auf den Mannschaftsbus des deutschen Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund (BVB), bei dem Abwehrspieler Marc Bartra und ein Polizist verletzt wurden. Zunächst waren die Hintergründe unklar, am nächsten Tag wurde ein mutmaßlicher Islamist festgenommen. Zehn Tage später war jedoch vom Motiv Börsenspekulation die Rede, der mutmaßliche Täter Sergej W. wurde festgenommen. Doch wie kam es zu dieser überraschenden Wende?

Erste Hinweise auf Börse am Tag nach Anschlag

Die Börsenredaktion des ARD erwähnte bereits am 12. April einen Hinweis auf auffällige Transaktionen mit Optionsscheinen. Dieser Hinweis stammte von einem BVB-Fan aus Österreich. Der gleiche Mann hatte am Tag nach dem Anschlag auch im STANDARD-Forum gepostet:

Vorgeschichte: Ein BVB-Fan kontrolliert die Börsenkurse

Poster Jerusalem* erzählt dem STANDARD die Geschichte hinter seinem Posting. Diese begann einige Stunden vor Spielbeginn: "Eigentlich wollte ich nur den Kurs meiner Put-Optionsscheine wissen. Als Aktionär von Borussia Dortmund habe ich nach dem starken Kursanstieg der letzten Monate zur Absicherung ein paar dieser Scheine gekauft. Ich sah nicht nur den aktuellen Kurs meiner Scheine, sondern bemerkte auch, dass bereits jemand 15.000 Stück in Frankfurt gekauft hatte. Dies erschien mir seltsam, da diese Scheine normalerweise nur in Stuttgart gehandelt werden. Wenige Minuten später der Schock: Mein geliebter BVB wird angegriffen!"

Der BVB-Fan denkt nach dem Anschlag nur an die Mannschaft, verfolgt zahlreiche Sondersendungen im Fernsehen und ist dann etwas beruhigter, weil nicht so viele Personen zu Schaden gekommen sind wie anfangs befürchtet. Doch der Mann mit tiefgehendem Börse-Fachwissen kann nicht gut schlafen: "In der Nacht wache ich auf und muss an die Put-Umsätze in Frankfurt denken. Am Morgen entdecke ich, dass am Vortag nicht nur 15.000, sondern vier verschiedene Typen mit je 15.000 Stück gehandelt wurden. Mit dem Wissen des Anschlags vermutete ich, dass jemand etwas gewusst hat und dies zu Geld machen wollte. Sprich: Würde der Kurs sehr schnell und sehr stark fallen, hätte der Käufer einen hohen Gewinn erzielt. Aus dem Einsatz von knapp 5.000 Euro wären vermutlich 150.000 Euro geworden. Ein verlorenes Spiel hätte dazu aber nicht gereicht."

"Gesucht wurden Islamisten und Terroristen"

Aufgrund der ungewöhnlichen Börsentransaktionen glaubt der BVB-Fan an einen Trittbrettfahrer, der von dem geplanten Anschlag wusste und deshalb die Optionsscheine gekauft hatte. Vielleicht könnte über diesen der tatsächliche Täter ausgeforscht werden: "Mir war bewusst, dass es sehr schwierig sein wird, diesen irrationalen Nebenschauplatz ins Zentrum des Geschehens zu rücken. Gesucht wurden Islamisten und Terroristen, da bleibt wenig Platz für ein paar gehandelte Optionsscheine … um 5.000 Euro! Ich rief also bei der Soko BVB an und versuchte die Auffälligkeit zu erklären. Sicherheitshalber wollte ich mehr Aufmerksamkeit schaffen: Ich postete beim STANDARD, da ich dort eine interessierte Leserschaft vermutete, schrieb dem BVB und telefonierte mit ARD-Börse. Diese brachte bereits am Nachmittag einen Onlinebericht über die Optionsscheine. Ziel erreicht: Öffentlichkeit informiert!"

Der BVB-Fan verfolgte also die Strategie, seinen Verdacht sowohl direkt bei den ermittelnden Behörden als auch bei Finanzmedien und bei einer breiten Öffentlichkeit im STANDARD, unter der er auch Finanz- und Börsenexperten vermutete, publik zu machen. Auf diese Weise hoffte er, dass dem Verdacht nachgegangen würde.

Aufmerksamkeit für die Börsentransaktionen

Die Strategie ging auf, die Spur wurde verfolgt. Einige Tage später wurde der Käufer der Optionsscheine nicht mehr bloß als Trittbrettfahrer gesehen, sondern als mutmaßlicher Täter festgenommen. Dem Verdacht des Anschlags im Zusammenhang mit Börsenspekulationen wird aktuell nachgegangen. Die Verantwortlichen des BVB hatten die Informationen des BVB-Fans mithilfe ihrer Bank verifiziert und an die Ermittler weitergegeben.

"Es freut mich, dass die Spieler wieder erleichtert aufspielen konnten, sich für die Champions League qualifizierten und den Cup gewonnen haben. Heja BVB! Und Marc Bartra wünsche ich alles Gute für die Hochzeit", so Poster Jerusalem. (Christian Burger, 8.6.2017)