Subversive Sommerpower, das ist es, was Ela Angerer an Sandalen schätzt. Sandalen von Gucci via Kaufhaus Steffl.

Foto: Lukas Gansterer

Zuletzt erschien von Ela Angerer der Roman "Und die Nacht prahlt mit Kometen" im Aufbau-Verlag. Heuer kam sie mit ihren Lieblingssandalen schon bis nach Málaga und an den Millstätter See.

Foto: Heribert Corn www.corn.at

Die Kastanienbäume leuchten. Die Vögel schmettern ihr stärkstes Lied. Und ich trage endlich wieder Sandalen. Sobald ich sie aus dem Schrank hole, ist Sommer. Monatelang waren meine Füße in Stiefel eingesperrt. Jetzt schweben sie über den Asphalt, mit nichts als ein paar Riemen über dem Rist. Meine Zehen lachen hinaus in die Welt, wie frisch entlassene Häftlinge.

Trotz all dieser Freiheitsgefühle will man sich natürlich auch blicken lassen können, in der Buchhandlung oder im Restaurant. Meine Füße stecken also nicht in billigen Strandlatschen, sondern in einem "Stadtmodell". Jahrzehntelange Testläufe (und unzählige Fehlkäufe) haben mich zu so etwas wie einer Expertin gemacht:

Die ideale Sommersandale ist keine Römersandale mit bretterharter Sohle, sondern innen mit weichem Leder gefüttert. Beim Gehen federt sie den Asphalt ab. Sie hat keinen Absatz, zumindest keinen, der der Rede wert wäre. Man möchte damit ja nicht nur über die Straße kommen, sondern auch über Wiesen, Bootsstege und über den Beckenrand von Schwimmbädern. Sommer, das bedeutet, offen zu sein für all seine verlockenden Möglichkeiten.

Stil, schreibt die Modeexpertin Diana Vreeland in ihren Memoiren, ist immer auch eine Frage von Optimismus und Humor. Ich glaube, man braucht beides, um morgens mit Qualitätssandalen das Haus zu verlassen, ohne sich um mögliche Sommergewitter zu kümmern. Was ich an offenen Schuhen mag, ist ihre subversive Kraft: Frühere Generationen hätten sie weder in der Stadt noch zu einer Landpartie angezogen. Viel zu vulgär, lautete das gängige Urteil. Der entblößte Fuß, zugleich Armutszeugnis und erotische Intimität. Einiges davon schwingt bis heute mit. Jemand offenbart uns seine nackten Füße. Das ist beinahe so privat, wie wenn er uns seinen Bauchnabel zeigt. Unabhängig von ihrer Form lässt sich dabei vieles ablesen: Nimmt sich ihr Besitzer als sinnliches Wesen wahr? Achtet er auf sein Äußeres?

Petticoat & Masche

Der Fuß, so heißt es, ist die Visitenkarte der Dame. Ich behaupte, er ist auch die Visitenkarte des Herrn. Wir bügeln unsere Hemden und gehen zum Friseur. Warum soll es unten herum plötzlich so stark abfallen? Das hat auch mit sozialer Kompetenz zu tun: Man sollte es unter allen Umständen vermeiden, sein Gegenüber mit Schwielen oder Hornhaut zu belästigen. Wer sich nicht selbst die Mühe machen möchte: ab zur Fußpflege.

In Österreich werden derartige Institute üblicherweise mit dem heiligen Ernst von Krankenanstalten betrieben. Dass es auch anders gehen kann, habe ich vor kurzem in Spanien erlebt: In der Kosmetik-Ecke eines Friseursalons wurden meine Füße von der attraktiven Sofía unter die Fittiche genommen. Sofía trug keinen weißen Kittel, sondern ein blau-weiß getupftes Petticoat-Kleid und eine große weiße Masche im Haar. Während sie meine Nägel tomatenrot lackierte, fühlte es sich an, als wären wir in einem Film von Almodóvar.

Das mit den Sandalen und mir, das kann von mir aus noch bis Oktober so weitergehen. (Ela Angerer, RONDO, 9.6.2017)

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