Sein Design stammt aus den 1920ern, gefertigt wurde er in Indien, zum Einsatz kommt der Ventilator auf der Wiener Pawlatsche von Michael Hausenblas.

Foto: Lukas Gansterer

Michael Hausenblas ist Redakteur beim RONDO und für die Rubrik Design zuständig. Auf seiner Pawlatsche träumt er auch diesen Sommer vom Himmel über der Wüste.

Foto: Angelika Krinzinger

Dann ist das heiße Wetter wieder da. Touristen bleiben stehen, recken die Hälse und schauen auf die verglaste Pawlatsche. Darin spiegeln sich die Abendsonne und das gegenüberliegende Wiener Palais Coburg. Einst wurden an diesem Ort Seile für die Kriegsmarine hergestellt.

Die Fensterflächen, durch die man auf die Touristen hinunterschaut, bestehen aus hunderten quadratischen Scheiben, eingerahmt von grauem, angerostetem Eisen. Vier Stockwerke Butzenfenster im Industrielook, die während des Tages zum Hochofen werden.

Wahrscheinlich geht den schwitzenden Fremden dort unten dasselbe durch den Kopf wie jedem, der zum ersten Mal auf den angestaubten Glaspalast hinaufblickt – inklusive seiner Bewohner: Welch prächtige Paradiesgärten sich hinter all den Fenstern anlegen ließen, mit üppigen Königsfarnen, blühenden Tralizien und buschigen Säbelzahn-Agaven. Schöner wohnen wie Tarzan und Jane im Baumhaus. Aber ihr Fremden, dort unten, lasst euch sagen: Nix da mit prächtig! Hier herrscht Sonnengott Ra mit affenhitzigem Eifer.

Floristisch betrachtet gibt es hier nur einen Überlebenden, einen Ohrenkaktus aus Santa Margherita Ligure. Seine Ohrwascheln sind verschrumpelt wie die Gurgel eines Truthahns, nur halt in Grün. Äthiopische Wüstenigel könnte man hier züchten, Dornschwanz-Agame, auch Dornteufel würden sich pudelwohl fühlen.

Die Pawlatsche wird im Sommer zu einer 15-Quadratmeter-Wüste. Daran ist nichts auszusetzen, vorausgesetzt, man mag die Wüste, so wie Paul Bowles, Graf Almásy, ein Kamel oder man selbst. Almásy und Bowles verschwanden längst in den ewigen Sanddünen, ein Kamel wäre zu groß, und hielte man sich einen Gecko, bekäme man wahrscheinlich Bröseln mit dem Kaulquappennummerieren (Leihgabe Gerhard Polt). Also bleibt man allein auf seinem Wüstenplaneten mit den gelblichen Bodensteinplatten. Es sind die gleichen alten Platten, wie man sie in manchen kühlen Kirchen findet.

MS Lindau

Hier wohnt die Hitze der Stadt, und die Musik dazu macht ein alter schwarzer Ventilator, dessen Brummen an den ölverschmierten Schiffsdiesel der MS Lindau erinnert. Sein Propeller dreht sich brav, als würde er mit sich selbst um die Wette surren. Sein Aussehen verlieh ihm in den 1920er-Jahren die amerikanische Emerson Fan Company. Die eingestanzte Seriennummer lautet 12.366. Jedes Jahr, wenn die Stromabrechnung eintrudelt, fragt man sich, welchen Anteil wohl das kleine Windspiel ausmacht. Manchmal hat man das Gefühl, der freundliche Rundling versucht abzuheben wie ein Wüstenflieger von Antoine de Saint-Exupéry. Zumindest übt er emsig und mit unerlässlichem Willen.

Brav bläst einem der Propeller eine feine Brise ins Gesicht, und man wähnt sich im warmen Abendwind hinter Tanger, einmal mehr in Paul Bowles' Roman "Himmel über der Wüste" blätternd. Darin heißt es: "Der Himmel hier ist sehr seltsam. Wenn ich ihn so betrachte, habe ich oft das Gefühl, dass er etwas Kompaktes ist, das uns vor dem beschützt, was dahinter lauert." Was auch immer dahinter lauert, auf der Pawlatsche lässt sich darüber trefflich sinnieren.

Vor allem wenn über der Franziskanerkirche der Vollmond steht und Mauersegler wie Tomahawks durch seine silbrig-weiße Scheibe sausen und im Chor mit dem Surren des Luftbrummers kleine Schreie von sich geben. Das ist der Himmel über der Wüste. In der Hitze der Nacht. Dazu ein Gin Tonic, wegen der Malaria. Man weiß ja nie. (Michael Hausenblas, RONDO, 9.6.2017)

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