Aret Aleksanyan und Regina Schörg konkurrieren lautstark und melodisch um's Geschäft.

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Wien – Nur in zweiter Linie ist es ein kultureller Konflikt, der die Ottacherin und Süleyman aufeinander schimpfen lässt: Bei ihr wisse man nicht, wo die Finger aufhören und die Wurst anfängt, und er sei ein "Kümmeltürk". Vor allem befeuert die Abneigung der Fleischersleut mit benachbarten Ständen am Brunnenmarkt die wirtschaftliche Konkurrenz: "Bei uns, do gibt's dos unsrige. Nit dos Glumpat aus dem Osten."

Das ist vielleicht das Problem, warum der Kulturkonflikt in Liebe hoch 16 eher aussagelos ist. Er ist kein ernsthaft empfundener, sondern einer aus bloßer Angst. Aber das ist andererseits meist so.

Zwischen schmissigem Musical und billiger Komödie changiert die Uraufführung der Netzzeit-Gruppe beim laufenden Wir-sind-Wien-Festival. Die Bühne ist simpel: Zwei an der Seite offene Lkws und in der Mitte ein Zelt bergen die Familienbetriebe und die Band. Denn die Freiluftproduktion findet noch viermal an wechselnden Orten statt.

Dem Gerüst nach eine Romeo und Julia-Paraphrase, füllt man den Raum zwischen dem Konflikt der verfeindeten Familien erst mit kulturellen Klischees auf, um jene dann zu brechen und alles in Wohlgefallen aufzulösen.

Freiheit statt Familie

Im Wohnzimmer der Türken klebt etwa die Hagia Sophia als Fototapete. Der tonangebende Vater hat nur den Schädel eines Ahnen im Kopf, den dieser damals bei der Türkenbelagerung eingebüßt hat und den er nun aus dem Keller eines Wiener Museums befreien will, um ihn zu begraben.

Die Jungen können mit den Traditionen der Vorherigen wenig anfangen. "Leben, wos is des überhaupt?", fragt die um die Existenz ringende Kleinbetrieblerin Ottacher ihre mit Familiendynastie nicht zu beeindruckende Tochter. Jene will lieber ein Lokal in Istanbul statt eine Bude in Wien. Denn beim letzten Urlaub dort war da alles so voll mit Leben und Freundlichkeit. Was das türkische Tochterpendant wiederum nicht versteht: Gott sei Dank lebe sie in Wien! In der Musik finden die Mädchen über alle Illusionen weg, aber zueinander, verlieben sich.

Der Impuls ist wohl ehrenhaft. Auch die um Vielfalt bemühten Einblicke in Lebenswelten. Aber vom Messerkampf der Brüder um die Ehre der Schwestern bis zur Zwangsehe wird ausnahmslos üppig aufgetragen. Die Frequenz von Kraftausdrücken und (derben) Pointen ist enorm. Auf "Pascha" reimt sich "Mann mit Poscher".

Man sollte bunt-trashige Musical-Ästhetik, die auf allen Ebenen dominiert, schon mögen. Die Musik komponiert hat Clemens Wenger, die Texte geschrieben haben Wilfried Scheutz sowie Ibrahim Amir und Michael Scheidl. (Die Absage von Amirs Stück Homohalal zur Flüchtlingsthematik hat voriges Jahr rund um das Volkstheater für Wirbel gesorgt.) Gesungen wird gut bis sehr gut. (wurm, 9.6.2017)