Treffen sich zwischen Bologna und Modena zwei Speerspitzen des italienischen Fahrzeugbaus – der eine ist ein Türke, der andere ein Deutscher. Was wie ein Witz klingt, ist nicht mehr als ein zufälliges Gipfeltreffen zweier Autos, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Fiat-Tipo-Kombi, ein Topseller, der in der Türkei vom Band läuft, trifft in Sant'Agata Bolognese auf den Lamborghini Huracán Spyder. Ein Supersport-Cabrio, das mit dem Audi R8 Spyder mindestens so viel gemein hat wie der Fiat 124 mit dem Mazda MX-5.

Foto: Guido Gluschitsch

Der Tipo musste für die Anreise zum Lamborghini-Werk herhalten, der Huracán für die Abreise. Der Tipo hat ein festes Dach und einen Kofferraum, der dem Hubraum des Huracán in nichts nachsteht. Obwohl man schon sagen muss, der Lambo nimmt es mit einer riesigen Portion Gepäck auf – wenn man auf den Beifahrer oder eher die Beifahrerin verzichtet. Was kein allzu großes Problem darstellen dürfte, denn zum Reden würde man eh nicht viel kommen, wenn der 5,2 Liter große V10-Sauger seinen Dienst antritt. Und da ist es schon wurscht, ob die Drosselklappen gerade offen sind oder nicht.

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In unter vier Sekunden sprintet dieses Bündel aus Carbon, Aluminium und Emotionen auf Tempo 100. Dabei spürt man regelrecht, wie sich der Italiener in die Straße verbeißt und dass ein Großteil des Drucks von hinten kommt. Kunststück, immerhin lasten 57 Prozent des Gewichts auf der Hinterachse.

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Klar, hinter dem Fahrer liegt quasi der komplette Antrieb – außer den Allradteilen, die die Vorderachse bedienen -, das extrem scharfe Doppelkupplungsgetriebe und der irre Motor. Drei Modi bietet Lamborghini an, Strada, Sport und Corse. Letzterer ist wirklich so bedingungslos, dass man ihn nur auf der Rennstrecke fahren möchte. In Ersterem gibt es eine Zylinderabschaltung.

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Einzigartig sind die Reaktionen der Leute auf diesen Wagen. Hupende Autos, Kinder, die jubelnd auf die Straße springen, Grenzbeamte, die dir erst den Pass wiedergeben, wenn du versprochen hast, den Huracán sehr schnell und sehr laut wegzubewegen. Was man natürlich nicht tut. Im Lamborghini muss man niemandem etwas beweisen, nicht einmal, wenn er einem nicht gehört.

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Und das ist gut so, denn der Huracán ist kein Spielzeug. Er hat einen enormen Grip, klebt ewig auf der Straße, nimmt es mit Kurvengeschwindigkeiten auf, die man nicht für möglich hält, lenkt mit enormer Präzision ein, aber er hat auch einen sehr schmalen Grenzbereich, an den man sich lieber nicht herantastet, wenn man nicht für die Folgen geradestehen kann.

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Flott herumgondeln, das kann jeder im Huracán, aber richtig schnell fahren, Himmel ist das schwer. Und jedes Mal, wenn du eine Kurve spät anbremst, dann spürst du den fauligen Atem eines Bankbeamten in deinem Nacken, der dir lächelnd vorrechnet, dass du um die 290.000 Euro auch zwölf feine Fiat-Tipo-Kombi hättest verschenken können, und einer würde immer noch dir gehören. (Guido Gluschitsch, 9.6.2017)

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ZWEITE MEINUNG

Der Lamborghini ist eine Naturgewalt. Spektakuläres Aussehen, ebensolche Fahrleistungen und der passende Sound. Das Auto für Leute, die gerne auffallen und mit Bewunderern ins Gespräch kommen. Ungeübte Fahrer sind gut beraten, vorsichtig an die Handhabung des Huracán heranzugehen. Das schnelle Bewegen des Fahrzeugs erfordert eine Eingewöhnung. Dann aber irrwitzige Beschleunigung, auch die Bremsen halten. In den Grenzbereich dringen nur Profis vor. (völ)