Ältere Arbeitnehmer genießen beim Anfechten von Kündigungen derzeit besonderen Schutz. Weil ihnen dieser oft zum Verhängnis wird, gilt er ab Juli nicht mehr.

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Dass ältere Arbeitnehmer – ab 50 Jahren – unkündbar seien und einen besonderen Kündigungsschutz genießen würden, ist natürlich ein Irrglaube. Allerdings: "Je näher Sie in Richtung Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters kommen bzw. je schwieriger die Erlangung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes ist, umso größere Chancen haben Sie, Ihre Kündigung vor dem Arbeitsgericht erfolgreich als sozialwidrig anzufechten und zu bleiben", sagt Nicolaus Mels-Colloredo, Arbeitsrechtsexperte bei der Kanzlei PHH Rechtsanwälte.

Große Hoffnungen

Arbeitnehmer ab 50 sind bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist – eine Arbeitssuche von bis zu einem halben Jahr oder ein Einkommensverlust von bis zu 15 Prozent gilt laut Rechtsprechung in der Regel als noch zumutbar – bislang besonders berücksichtigt worden. Dies werde im Alltag als besonderer Kündigungsschutz umschrieben – und ja, in der Praxis habe dieser oft dazu geführt, die Arbeitnehmer lieber nicht zu kündigen, obwohl es nicht passte. Ab Juli ändert sich dies allerdings für Dienstnehmer ab 50, die neu eingestellt werden – dieser besondere Schutz fällt weg.

Grundlage für die bevorstehende Änderung: Ältere Arbeitnehmer sollen es am Arbeitsmarkt wieder leichter haben und von künftigen Arbeitgebern nicht als unkündbar und teuer gefürchtet und deswegen gemieden werden. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen des AMS zeigt, dass dieser Effekt jedenfalls dringend notwendig wäre: Knapp 98.000 Personen über 50 Jahre waren Ende Mai auf Jobsuche, das entspricht einem Plus von 4,2 Prozent. Rund die Hälfte von ihnen (47.861) haben seit mehr als zwölf Monaten keine nachhaltige Beschäftigung aufgenommen. Auch die Zahl der Arbeitssuchenden mit Behinderung ist um 6,7 Prozent gestiegen – Mels-Colloredo sieht hier Parallelen zu den Menschen ab 50: Seien die Kündigungsbeschränkungen zu stark, stelle niemand davon betroffene Gruppen gerne ein. "Bei den begünstigt behinderten Menschen sind weitere Lockerungen denkbar", sagt der Arbeitsrechtler.

Effekte jedenfalls für Arbeitgeber da

Was bislang viele Unternehmen davor abgeschreckt habe, ältere Arbeitnehmer einzustellen, seien zu einem großen Teil die langen Verfahren gewesen, in denen festgestellt werden soll, ob die Kündigung tatsächlich sozialwidrig sei, sagt Mels-Colloredo. Gewinnt der Arbeitnehmer im Anfechtungsverfahren, so wird die Kündigung rückwirkend für unwirksam erklärt, und das Dienstverhältnis wird – gegen den Willen des Dienstgebers – fortgesetzt inklusive Nachzahlung des Gehalts für den Anfechtungszeitraum in voller Höhe. Allerdings: Nach der derzeit noch geltenden Rechtslage besteht der erhöhte Schutz ebenfalls nicht uneingeschränkt, sondern erst nach zwei Beschäftigungsjahren im Unternehmen. Diese Regelung bedeutete für ältere Arbeitnehmer nicht selten eine Befristung auf diese Periode.

Während die erhofften Effekte für ältere Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt noch nicht absehbar sind, stellen die Änderungen jedenfalls wesentliche Erleichterungen für Arbeitgeber dar. Auch bei einer abgewiesenen Anfechtung gibt es keinen Kostenersatz. "Diese Vorgehensweise ist einfach nicht sachgerecht", sagt Mels-Colloredo. In der Regel werde deswegen versucht, ein Verfahren zu vermeiden und rasch einen Vergleich herbeizuführen – auch vonseiten der Richter. "Da geht es teilweise zu wie auf dem Basar, weil lange und teure Auseinandersetzungen vor Gericht verständlicherweise vermieden werden wollen." Bei "guten Karten" der Arbeitnehmer würden diese bis zu einem Jahresgehalt und darüber hinaus als Vergleich aushandeln können.

Warum sich die Katze in den Schwanz beißt

Da die neue Regelung nur die besonderen Schutzbestimmungen betrifft, werden Anfechtungen auch in Zukunft stattfinden, und dabei wird das Alter weiterhin eine Rolle spielen. Für die Gutachten sind Sachverständige zuständig, die die Chancen am Arbeitsmarkt auf der Grundlage von Alter, Ausbildung, Gehalt, Berufserfahrung und der Arbeitsmarktlage bewerten. Bleibt der "schlechte Ruf" an älteren Arbeitnehmern kleben – zu teuer, nicht mehr leistungsfähig -, werden Sachverständiger auch weiterhin eine Interessenbeeinträchtigung feststellen. "Die Katze beißt sich dann in den Schwanz", sagt Mels-Colloredo.

Und: Auch in Zukunft wird eine Kündigung aufgrund des Alters eine verbotene Diskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz darstellen. Mels-Colloredo hofft, dass mit der Änderung auch die Imageaufwertung einhergeht: "Die Erfahrung dieser Menschen ist Gold wert." (lhag, 12.6.2017)