Nicolas Dittberner in einem Café in Berlin, Prenzlauer Berg. Er baute Udacity in Deutschland auf, seine Position ist die des Leiters der Region Dach und UK. In Berlin hat das Udacity-Büro aktuell zehn Mitarbeiter.

Foto: Lisa Breit

Wie digitale Bildung die Verlierer zu Gewinnern machen könnte: Darüber spricht Nicolas Dittberner, während er in einem hippen Café in Prenzlauer Berg seinen Kaffee umrührt. Dittberner, 36 Jahre, gemusterte Jacke, direkter Blick, hat Udacity, eine auf Weiterbildung spezialisierte Online-Uni, in Europa aufgebaut.

Der junge Mann ist überzeugt, dass mit Kursen im Netz Menschen erreicht werden können, die keine Möglichkeit zu einem klassischen Universitätsstudium haben. Auch für bereits Berufstätige, die abgehängt zu werden drohen, könne sie Chancen bieten – sie mit jenen digitalen Skills ausstatten, nach denen Unternehmen derzeit händeringend suchen. Aber der Reihe nach.

Begonnen hat die Geschichte von Udacity nämlich nicht in Berlin, sondern rund 9000 Kilometer entfernt, an der Eliteuni Stanford in Kalifornien. Dort machten 2011 zwei Professoren, Sebastian Thrun und Peter Norvig, ihr Seminar zum Thema künstliche Intelligenz kostenlos im Netz zugänglich. Der Erfolg war spektakulär: 160.000 Menschen aus 190 Ländern meldeten sich an, 23.000 bestanden die Abschlussprüfung. Thrun sah Potenzial, kündigte seine Professorenstelle und seinen Job als Forschungschef bei Google und gründete 2012 Udacity. Sein Ziel: Bildung nicht nur einigen Privilegierten, sondern möglichst vielen zugänglich zu machen.

Geld-zurück-Garantie

Wie Udacity dieses Ziel aktuell einzulösen versucht, soll Nicolas Dittberner fünf Jahre später in Berlin beantworten. "Durch Internationalisierung", sagt er. Udacity gibt es neben Europa mittlerweile auch in Brasilien, China und Indien. "Und wir sind weiter am Wachsen." In vielen Gegenden seien Möglichkeiten zum Studieren rar, Programme teuer.

Bei Udacity sind viele Kurse gratis. Für die, die 200 Euro pro Monat kosten und von Tutoren betreut werden, kreierte Udacity einen eigenen Abschluss, genannt "Nanodegree". Schließt man das Programm in weniger als zwölf Monaten ab, bekommt man die Hälfte der Gebühren erstattet, verspricht Udacity. 40.000 Personen Teilnehmer haben die Nanodegree-Programme derzeit weltweit, davon 5.500 in Europa und 2.200 im deutschsprachigen Raum.

Vermittelt wird in den Kursen Know-how, das Tech-Firmen derzeit so dringend suchen: Data-Science, Machine-Learning, Virtual Reality oder Robotics.

Wie gut klappt digitales Lernen?

Die Nähe zur Industrie wird bei Udacity überhaupt großgeschrieben, weshalb man mit Firmen kooperiert – in Deutschland etwa mit Bosch, Daimler oder IBM. Sie lieferten inhaltliche Impulse. Was außerdem "hilft, wichtige Themen zu identifizieren": der Unternehmenssitz im Silicon Valley. "Wir sind sehr nah dran an technologischen Trends", sagt Dittberner. Vor dem Hintergrund des permanenten Fortschritts müsse der oder die Einzelne künftig anders, besser ausgebildet sein, ist er überzeugt: "Wenn alles stärker automatisiert ist, wird es jemanden brauchen, der die Software steuert und überwacht."

Ob er der Meinung ist, dass staatliche Universitäten bei technischen Ausbildungen mithalten? "Sie versuchen, die Bereiche zu besetzen, können aber nicht schnell genug agieren", so Dittberner. Verantwortlich dafür macht er mangelnde Kontakte zur Industrie.

Diese Praxisnähe soll bei Udacity auch in puncto Lehre im Vordergrund stehen, Studierende sich ihr Wissen in gemeinsamen Projekten erarbeiten. "Jeder Teilnehmer erhält so lange Feedback, bis das Projekt als erfolgreich abgeschlossen gilt." Alles also virtuell, auch der Austausch mit Kommilitonen.

Didaktiker sind skeptisch, ob sich bei rein digitalem Lernen ein Lernerfolg einstellt. Wichtig sei der Kontakt mit Professoren und Mitstudierenden. Dittberner sagt dazu: "Wir konzentrieren uns auf technologische Berufe. Da findet die Kommunikation schon von jeher online statt." Zudem würden eigene Community-Manager darauf angesetzt, Probleme in den Foren zu identifizieren – "Gibt es bei einem Thema Nachholbedarf?" – und gegebenenfalls zusätzliche Informationen zu liefern. Es gebe zusätzlich Meet-ups, regelmäßige persönliche Treffen.

Was die Zukunft bringt

Investor von Udacity ist etwa Bertelsmann. In Europa sei man aber bereits profitabel, sagt Dittberner. Dort gehe es weniger darum, Bildung zu demokratisieren, als vielmehr darum, lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Zielgruppe sind vor allem Berufserfahrene, die sich für die stark wandelnde Arbeitswelt wappnen wollen.

"Was wir herausgefunden haben, ist, dass es ein Segment gibt, um das sich niemand kümmert: die Erwachsenenfortbildung", sagte Udacity-Gründer Thrun kürzlich in einem Interview mit der deutschen Zeitung Die Zeit. In diesem Sektor ortet Thrun "gute Chancen mitzuspielen", da steige der Bedarf, denn: "Es wird nicht mehr reichen, einmal im Leben zur Uni zu gehen." (Lisa Breit aus Berlin, 13.6.2017)