Es macht so unendlich müde, der Streiterei zwischen ÖVP, SPÖ und Grünen zu folgen, ob es nun eine Einigung in der Bildungsreform gegeben hat oder nicht (informationsgestützte Vermutung des Autors dieser Kolumne: Es hat eine gegeben, wenn auch nicht bis ins letzte Detail, aber die ÖVP sprang ab, weil sie nach den Wahlen ohnehin alles anders machen will).

Vor diesem Hintergrund ist einmal festzuhalten: Ein großer Teil der Lehrer(innen) verdient Lob, weil sie in immer unerfreulicheren Grundsituationen sich um die Kinder bemühen, während Politik und Bürokratie über ihnen eine trostlose Verantwortungsflucht mit sinnlosen "Bildungsgipfeln" veranstalten.

Mutige Mitglieder des Lehrkörpers gehen immer öfter, wenn auch zum Teil anonym, an die Öffentlichkeit und sprechen über die wahren Probleme abseits irgendwelcher Strukturbasteleien und lehrergewerkschaftsgetriebenen Egoismen. Zuletzt wurde auf orf.at eine Wiener Volksschullehrerin interviewt:

Jedes dritte Kind in ihrer Klasse könne dem Unterricht kaum oder gar nicht folgen, weil es an Deutschkenntnissen fehlt. Ein Viertel der Kinder werde den Aufstieg nicht schaffen (heißt: sehr früh in eine "Sozialstaatskarriere" einsteigen).

Dazu hält der letzte "Nationale Bildungsbericht" des Ministeriums fest: "Ein Drittel der Kinder gehört zu mindestens einer der drei sozialen Gruppen mit erhöhtem Risiko, Bildungspotenziale nicht zu realisieren: nichtdeutsche Alltagssprache, bildungsferner Haushalt und/oder niedriger Berufsstatus der Eltern."

Aus einem Kurier-Interview von der Direktorin einer Volksschule in Wien-Meidling: "Viele ethnische Gruppen haben eine Community gebildet, in der es nicht nötig ist, Deutsch zu lernen. Jene Migranten, die seit 20 Jahren hier sind und kaum Deutsch können, vermitteln den Kindern: wozu Deutsch lernen." Oder: "Einige (Migranten, Anm.) versuchen extrem, ihre Religion und Kultur anderen aufzuzwingen oder provokant nach außen zu tragen, etwa indem der Vater einer Frau (Lehrerin, Anm.) nicht die Hand gibt".

Die Direktorin einer Wiener NMS mit 98 Prozent Kindern nichtdeutscher Muttersprache sagte vor einem Jahr: "Eltern sieht man in der Schule selten, an Sprechtagen nimmt fast niemand teil. Bildung hat in den meisten Familien kaum Bedeutung."

Oder: Im STANDARD-Interview sagt ein ehemaliger AHS-Direktor, der für das Land Oberösterreich einen "Wertekanon" erarbeitet hat: "Es gibt Menschen bei uns, die sich aufgrund ihres Glaubens schwertun, zu akzeptieren, dass es einen Rechtsstaat gibt, der sich nicht in letzter Instanz auf göttliches Recht beruft."Und weiter: "Schwierig wird es dort, wo Zuwanderer nicht akzeptieren, dass Frauen in unserer Gesellschaft gleichberechtigt sind, da es bei uns viele Lehrerinnen gibt."

Zuletzt: Nicht so sehr die neu hinzugekommenen Flüchtlingskinder seien das Problem, sondern "die wirklichen Sorgenkinder sind in Österreich geboren – alle aus türkischen Familien" (auf orf.at).

Genug? Noch lange nicht. Aber der Befund ist eindeutig. Die (manchmal zu Recht) vielgescholtenen Lehrer(innen) müssen in ihren Schulen mit katastrophalen Zuständen fertigwerden und fühlen sich oft alleingelassen, bzw. mit sinnloser Bürokratie ("Dokumentation") zusätzlich belastet.

Wenn man das neben die elenden Sticheleien der sterbenden Regierung stellt (sie erinnert an zwei Skorpione in einer Flasche), überkommt einen nicht Müdigkeit, sondern blanker Zorn. (Hans Rauscher, 9.6.2017)