12. November 2016 in Wien: Aleksandar Dragovic wendet sich mit Grausen ab, Jon Walters schnappt sich den Ball, Irland siegt 1:0.

Foto: apa/jäger

Wien/Dublin – Samstagvormittag flog das österreichische Fußballteam nicht ins Ungewisse, sondern nach Dublin. Am Sonntag wird ab 18 Uhr im Aviva Stadium gegen Irland gespielt, die Ausgangslage ist klar, ein Sieg vonnöten. Sofern man an der WM 2018 in Russland teilhaben möchte, Wunsch und Sehnsucht sind vorhanden. Andererseits sind die vier Zähler Rückstand in der Qualifikationsgruppe D auf Serbien und Irland Fakt, eine Niederlage wäre nicht zuletzt fürs Reisebüro fatal.

In diesem bitteren Falle würde Teamchef Marcel Koller zur Disposition stehen. Das weiß er, im Vorfeld wollte er sich mit seiner Zukunft überhaupt nicht befassen, der Schweizer lässt Spekulationen erst nach der Arbeit zu. ÖFB-Präsident Leo Windtner spricht von einem "Endspiel", als "Gottesurteil über den Teamchef" sieht er die Partie aber nicht.

Jene, die in erster Linie zur Urteilsfindung beitragen, sind die Spieler. Sie haben sich zehn Tage lang in Stegersbach und Wien intensiv vorbereitet, jedes Kadermitglied, 23 an der Zahl, lobte die Stimmung, den Eifer, die Qualität, die Konzentration aufs Wesentliche. Zlatko Junuzovic drückte es so aus: "Das Feuer ist da, alle geben Gas, wir sind richtig angestachelt." Die Belastung wurde sukzessive erhöht, man sei nun in der Lage, in Dublin ein hohes Tempo gehen zu können.

Der 29-jährige Junuzovic bestreitet sein 55. Länderspiel, der Bremen-Legionär hat sämtliche Höhen und Tiefen in der Ära Koller (seit November 2011) mitgemacht. "Die Linie wurde nie verlassen, wie müssen uns immer wieder neu orientieren, neu beweisen." Es sei nicht einfach, ein Match im Voraus zu planen. "Das Leben ist kein Wunschkonzert." Man müsse gegen Irland körperlich dagegenhalten und zudem auf die spielerische Komponente achten, die fußballerischen Qualitäten auspacken. "Wenn wird nur Bälle nach vorne schießen und auf die Duelle gehen, wird es sehr zerfahren." Irlands aberwitziger Trainerassistent Roy Keane gab diesbezüglich die Richtung der Seinen vor: "Wir werden gegen sie in den Krieg ziehen. Es gibt Leute, die haben viel mehr für unser Land getan, als sich die Beine zu brechen."

Österreichs kennt das Gegenrezept bereits, Gegenteiliges wäre fahrlässig, man musste es ja einstudieren. Anzunehmen ist, dass Koller eine Dreierkette verteidigen lässt. Die Nation kann, muss sich aber nicht folgende Fragen stellen: Welche Position nimmt David Alaba ein? Bekommt Florian Kainz eine Chance? Ist Florian Grillitsch in der Startelf?

Gleichstand

An gravierenden Ausfällen haben die Teams einander nichts vorzuwerfen, das sind Nuancen, reine Geschmacksache, ob das Fehlen von Marko Arnautovic schwerer wiegt als jenes von Shane Long. Die Iren, salopp "Boys in Green" genannt, haben gute Zeiten hinter sich. Bei der Europameisterschaft scheiterten sie im Achtelfinale knapp an Gastgeber Frankreich (1:2). In Dublin haben sie zuletzt ein Pflichtspiel im September 2013 verloren (1:2 gegen Schweden). In der laufenden Qualifikation siegten sie in Wien gar nicht unverdient mit 1:0. Der 65-jährige Teamchef Martin O'Neill lehnt die Favoritenrolle trotzdem strikt ab. "Österreich hat sich bei der EM nicht mit Ruhm bekleckert. Aber ich denke, sie wollen hier etwas beweisen. Ich habe immer noch das Gefühl, dass sie eine Topnation sind." Irland ist in der Fifa-Rangliste die Nummer 26, Österreich die 35.

O'Neill kündigte dezente Offensive an. "Es liegt an uns, unseren Vorsprung zu wahren. Wir dürfen nicht nur abwarten, müssen von Beginn an etwas versuchen." Das Aviva Stadium wird wohl ausverkauft sein (knapp 50.000 Fans), der Wetterbericht verheißt leichten Regen und 17 Grad, also typisch irische Verhältnisse. (Christian Hackl, 10.6. 2017)

Mögliche Aufstellungen:

Irland – Österreich (Aviva Stadium, 18.00 Uhr MESZ/live ORF eins, SR Fernandez Borbalan/ESP)

Irland: Randolph (West Ham) – Christie (Derby County), Keogh (Derby County), Duffy (Brighton & Hove Albion), Ward (Burnley) – Arter (Bournemouth), Whelan (Stoke City) – Brady (Burnley), Hendrick (Burnley) McClean (West Bromwich) – Walters (Stoke City)

Ersatz: Westwood (Sheffield Wednesday), C. Doyle (Bradford City) – Pearce (Derby County), O'Shea (Sunderland), Boyle (Preston North End), Egan (Brentford), K. Long (Burnley), McGeady (Everton), Hourihane (Aston Villa), O'Kane (Leeds United), Hoolahan (Norwich City), O'Dowda (Bristol City), Horgan (Preston North End), Browne (Preston North End), Hayes (Aberdeen), Murphy (Newcastle)

Es fehlen: Coleman (Schien- und Wadenbeinbruch), McCarthy (Oberschenkelverletzung), S. Long (Mittelfußbruch), Clark, Meyler, McGoldrick (alle Knieverletzung)

Österreich: Lindner (Eintracht Frankfurt/10 Länderspiele) – Dragovic (Bayer Leverkusen/56/1 Tor), Prödl (Watford/62/4), Hinteregger (Augsburg/24/1) – Lazaro (Salzburg/7/0), Baumgartlinger (Bayer Leverkusen/53/1), Junuzovic (Werder Bremen/54/7), Alaba (Bayern München/56/11) – Harnik (Hannover/65/15), Burgstaller (Schalke/10/0), Kainz (Werder Bremen/1/0)

Ersatz: Bachmann (Stoke City/0), Kuster (Mattersburg/0) – Klein (VfB Stuttgart/45/0), Lainer (Red Bull Salzburg/1/0), Stangl (Salzburg/1/0), Wimmer (Tottenham/8/0), Danso (Augsburg/0), Grillitsch (Werder Bremen/1/0), Laimer (Salzburg/0), Schaub (Rapid/2/0), Gregoritsch (Hamburger SV/2/0), Alar (Sturm Graz/0)

Es fehlen: Arnautovic, Ilsanker (beide gesperrt), Janko (Angina), Sabitzer (Oberarmverletzung), Schöpf (Kreuzbandeinriss), Almer (Kreuzbandriss), Lukse (Schulter-OP)