Mit der Erstellung der Bilanz wird häufig ein Steuerberater beauftragt. Liegen Indizien vor, welche die Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen lassen, wird es auch für den Steuerberater kritisch.

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Wien – Ein aktuelles, richtungsweisendes Judikat des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) zur Frage der Haftung des den Jahresabschluss erstellenden Steuerberaters für eine Insolvenzverschleppung sorgt auch hierzulande für Sprengstoff.

Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften sind verpflichtet, jährlich einen Jahresabschluss aufzustellen. Dieser hat ein möglichst getreues Bild der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln. Besonderheiten bestehen bei der Bilanzierung in der Unternehmenskrise. Zwar ist bei der Bewertung von Vermögensbestandteilen grundsätzlich von der Fortführung des Unternehmens auszugehen (Going-Concern-Prinzip) – dies jedoch nur, solange dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen.

Eine ungenügende Eigenkapitalausstattung in Verbindung mit fortwährenden Verlusten kann einen Grund für die Abkehr vom Going-Concern-Ansatz darstellen. Übersteigen die Verbindlichkeiten gar das Vermögen, ist das Eigenkapital negativ und im Anhang zu erläutern, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt. Es ist sodann also eine umfassende Überschuldungsprüfung erforderlich.

Mit der Erstellung der Bilanz wird häufig ein Steuerberater beauftragt. Liegen Indizien vor, welche die Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen lassen bzw. ist das Eigenkapital bereits negativ, wird es auch für den Steuerberater kritisch:

Zwar trifft die Insolvenzantragspflicht grundsätzlich die Vertreter der Gesellschaften, doch hat der BGH bei vergleichbarer Rechtslage jüngst entschieden, dass der Steuerberater im Rahmen der Bilanzerstellung zur Prüfung verpflichtet ist, ob sich auf Basis seiner Informationen oder ihm sonst bekannter Umstände rechtliche oder faktische Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können (BGH, 26. 1. 2017 – IX ZR 285/14). Ist dies der Fall, so ist zumindest eine umfassende Abklärung mit dem Mandanten erforderlich, ob im Anlassfall tatsächlich noch zu Fortführungswerten bilanziert werden kann.

Auf einer Prüfung bestehen

Laut BGH muss der Steuerberater unter Umständen sogar auf eine Prüfung der Fortführungsaussichten durch die gesetzlichen Vertreter bestehen. Erstellt er den Jahresabschluss trotz Zweifel an der Fortführungsvermutung unreflektiert zu Going-Concern-Ansätzen und kommt es deshalb nicht zur rechtzeitigen Insolvenzeröffnung, haftet er unter Umständen gegenüber dem Insolvenzverwalter für den daraus resultierenden Schaden.

Darüber hinaus kommt nach Ansicht des BGH auch eine Haftung wegen Verletzung von Hinweis- und Warnpflichten in Betracht, wenn der Steuerberater einen Insolvenzgrund erkennt bzw. Anhaltspunkte für einen Insolvenzgrund offenkundig werden und er annehmen muss, dass die Insolvenzreife dem Mandanten nicht bewusst ist. Solche Anhaltspunkte können bereits vorliegen, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaften in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt Fehlbeträge aufweisen, die nicht durch Eigenkapital gedeckte sind.

Für den Steuerberater bedeutet dies, dass er in der Unternehmenskrise nicht nur die Bewertungsgrundlagen kritisch zu hinterfragen, sondern unter Umständen selbst eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen oder zumindest auf die Durchführung der Prüfung durch die Leitungsorgane hinwirken muss. Gerade bei negativem Eigenkapital ist er zudem gut beraten, die ihm zur Verfügung gestellten Informationen genau zu überprüfen und kritisch zu reflektieren.

Die ungeprüfte oder gar unrichtige Erläuterung im Anhang, eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts liege nicht vor, könnte sonst ebenfalls zu einer unmittelbaren Haftung des Steuerberaters für den Insol- venzverschleppungsschaden führen. Die Haftpflichtversicherung des Steuerberaters stellt für den Insolvenzverwalter jedenfalls einen vielversprechenden Befriedigungsfonds dar. (David Seidl, Stefan Weileder, 12.6.2017)