Alev Korun im Innenausschuss. Am Dienstag bringt sie hier erneut den Afghanistan-Abschiebestopp ein.

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Wien – Mit der Forderung nach einem Afghanistan-Abschiebestopp stehen die Grünen in Österreich allein: "Angesichts der Sicherheitslage in Afghanistan verstoßen derlei Rückführungen gegen das Refoulementverbot (Anm.: Verbot laut Genfer Flüchtlingskonvention, Menschen in Staaten zurückzubringen, in denen ihnen Lebensgefahr oder Folter drohen)", sagt Alev Korun, grüne Menschenrechtssprecherin, zum STANDARD.

Als Korun vergangenen Mittwoch im Nationalrat für die Grünen einen entsprechenden Initiativantrag einbrachte, wurde dieser von allen anderen Parteien sofort abgelehnt. Am Dienstag versucht sie es im parlamentarischen Innenausschuss – wo ÖVP und SPÖ auch das Fremdenpaket einbringen wollen – ein zweites Mal. Ihre Argumente: "Laut dem Global Peace Index, der von internationalen Friedensexperten in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift 'The Economist' erstellt wird, ist Afghanistan unter 163 Staaten vor Syrien der zweitkrisenhafteste. Im ersten Quartal 2017 wurden dort 715 Zivilisten ermordet."

"Von der FPÖ getrieben"

Aus Deutschland wird seit dem Anschlag mit 160 Toten und mehr als 450 Verletzten vergangene Woche unweit der deutschen Botschaft in Kabul nicht mehr nach Afghanistan abgeschoben. Warum man das in Österreich so anders sieht? "Weil die Bundesregierung bei uns aus zwei Parteien besteht, die sich von der rechten FPÖ treiben lassen", antwortet Korun.

Und die österreichische Bevölkerung? "Die Bevölkerung darf man hier nicht automatisch mit der Bundesregierung gleichsetzen, die ängstlich ist, statt – wie es in der Bundeshymne heißt – mutig in die neuen Zeiten zu gehen", sagt Korun. Besser wäre, die Regierung stellte sich "auf die Seite der immer noch Zehntausenden im Land, die sich in der Flüchtlings- und Integrationsarbeit engagieren", meint sie.

"Nicht in einen Topf werfen"

Mit integrationspolitischen Vorschlägen ließ auch Korun von sich hören, als sie 2005 als Wiener Landtagsabgeordnete ihrer politische Karriere startete. Was sagt sie zu dem derzeit häufigen Einwand, alleinstehende afghanische junge Männer seien schwer integrierbar? "Alle pauschal in einen Topf werfen, bringt uns in der Integration nicht weiter", sagt Korun.

Richtig jedoch sei, "dass Menschen ohne Schulbildung aus einem Land nach 30 Jahren Krieg besondere Probleme haben und auch Probleme machen können". Hier brauche es "ein modulares Integrationsprogramm für Alphabetisierung und Deutsch – aber auch, wie Österreich tickt, wie das Verhältnis zwischen Mann und Frau ist, und dass alle Religionen gleichwertig sind".

"Feigheit vor dem Freund" unter Muslimen

Die islamische Glaubensgemeinschaft und afghanische Vereine will Korun hier mit in die Pflicht nehmen: "Auch konservativen Muslimen sind Homosexuellengleichstellungsthemen zumutbar", sagt sie. Derzeit gebe es hier "eine Feigheit vor dem Freund".

Sie selber steht bei den kommenden Nationalratswahlen auf der Wiener Grünen-Kandidatenliste nur auf Platz fünf. Für ihren Wiedereinzug ins Parlament brauchen die Grünen in Wien ein Ergebnis wie 2013, als sie 16,4 Prozent der Stimmen erreichten: "Das ist mein Ziel", sagt Korun. (Irene Brickner, 12.6.2017)