Mit den E-Mountainbikes eröffnet sich bergauf eine neue Spielart des Radfahrens.

Foto: Christoph Malin

Biker-Urgestein Christoph Malin – Gründer der legendären Innsbrucker Vertrider und umtriebiger E-Mountainbike-Pionier.

Foto: Christoph Malin

Innsbruck – Elektrisch betriebene Fahrräder sind die bislang einzige Form der gelebten Elektromobilität. Von daher ist jede Diskussion über deren Daseinsberechtigung hinfällig. Sie sind da, sind weiter auf dem Vormarsch, wie die Verkaufszahlen und Wartelisten der Hersteller bezeugen, und sie werden nicht mehr verschwinden.

Gerade E-Mountainbikes sorgen aber für emotionale Diskussionen. Für viele Kritiker stellen sie das Synonym der Unsportlichkeit dar. Ausgerechnet in einem Sport, der gern Extreme zelebriert. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass die Eigenleistung des Fahrers bei sportlich gefahrenen E-Mountainbikes der analog betriebener Fahrräder in nichts nachstehe. Doch ganz besonders beschwören Elektro-Fans den Uphill Flow. Das Gefühl, das sich beim Bergauf-Befahren von Trails einstellt. Eine neue Herausforderung für Kraft, Koordination und Fahrtechnik.

Unterwegs mit dem Gründer der Vertrider

Um für mich herauszufinden, was den Fahrspaß bergauf wirklich ausmacht, hat mich E-Mountainbike-Experte und Vertrider-Gründer Christoph Malin mit auf ein paar Touren genommen. Der Tiroler Rad-Journalist und Extrembiker testet für Magazine Produktneuheiten im Mountainbikesport in den Alpen, zuletzt vor allem elektrisch betriebene. Außerdem berät er Fahrradfirmen bei der Produktentwicklung und testet Prototypen. Allein im Vorjahr hat er über 280.000 Höhenmeter abgespult.

Als Gründer der Vertrider – dahinter steht eine Gruppe Mountainbiker aus Innsbruck, die das Befahren technisch schwieriger Wege im Hochgebirge seit den 1990er-Jahren geprägt haben – fährt Malin gern im steilen und anspruchsvollen Gelände. So absolvierte er von 2003 bis heute an die 3.500 Fahrten auf dem berühmt-berüchtigten Nordkette-Singletrail, den er mit dem Innsbrucker Vertrider-Kollegen Christian Piccolruaz realisiert hat. Seitdem Malin auf dem E-Enduro unterwegs ist, fährt er aber Trails nicht nur bergab, sondern auch bergauf.

Uphill Flow in Vollendung. Bei einer gemeinsamen Tour mit den Vertridern Christoph Malin und Christian Piccolruaz zeigt Stefan Schlie (der für Motorenhersteller Bosch fährt), wie man die Mountainbikewelt auf den Kopf stellt.
Kurt Resch

Da wir beinahe Nachbarn sind, wählen wir für den ersten Testlauf die Hausrunde. Das erwies sich aus meiner Perspektive als besonders lohnend, da es mir eine völlig neue Sicht auf ein mir eigentlich bestens bekanntes Gebiet eröffnete. Schon die schiere Dimension sagt einiges über diese veränderte Wahrnehmung aus: Die schnell und anspruchsvoll gefahrene Trail-Tour umfasste etwa 21 Kilometer Wegstrecke und 1.500 Höhenmeter, davon rund 16 Kilometer Singletrail bergauf und bergab – das Ganze in anderthalb Stunden Fahrtzeit inklusive Fotopausen. Es war anstrengend und intensiv. Meine übliche Feierabendrunde beschränkt sich auf maximal zwei Uphills und im besten Fall drei Trails. In derselben Zeit.

Gemischter Satz mal anders

Nach kurzer Zufahrt über Asphalt und dann Forststraße ging es auf den Trail. Die Federgabel und der Dämpfer wurden dazu geöffnet. Als Leihbike diente ein KTM Egnition Enduro mit 160 Millimeter Federweg – vorne wie hinten –, angetrieben von einem Bosch-Performance-CX-Motor mit 75 Newtonmeter Drehmoment. Als Besonderheit wies das Rad unterschiedliche Laufradgrößen aus, ein Mixed Size Wheelset. Das heißt, hinten mit breitem 26-Plus-2.8-Zoll-Reifen und vorne mit eher schmälerem 2.5-Zoll-29er-Reifen für einen dynamischen Laufradsatz, bergauf wie bergab. Agil kletterte das KTM so steilste Passagen mit Wurzelstufen hoch und ließ sich jederzeit mühelos aufs Hinterrad bringen. Das ist wichtig in Steilstufen. Auch die absenkbare Sattelstütze ist bei dieser Art des Bergfahrens Gold wert. Sie wird auf kommoden Anstiegen ganz ausgefahren. Bei schwierigen Passagen verschwindet sie hingegen auf Knopfdruck halb oder ganz im Sitzrohr.

Die ersten Meter auf dem Trail waren eigenartig. Das Bergauffahren ging dank Elektromotor zunächst noch fast mühelos, bis der Trail permanent steiler und damit sehr anstrengend wurde. Doch es war zuerst die Fahrtechnik, die mich forderte. Ich tendierte anfangs dazu, den Blick nicht weit genug nach vorne auf den Trail zu richten, sondern aufs Vorderrad zu schauen. Dadurch wurde ich instabil. Erst als ich den Blick vom 29er löste und auf die paar Meter Wegstrecke vor mir fokussierte, wurde es besser.

Das KTM Egnition Enduro mit 160 Millimeter Federweg vorne wie hinten. Als Antrieb dient ein Bosch Performance CX mit 75 Newtonmeter Leistung. Der gemischte Laufradsatz – 29er vorne, 26 Plus hinten – sorgt für Fahrspaß.
Foto: Christoph Malin

Es erfordert komplettes Umdenken beim Uphill. Denn es gilt, die Linie mit Bedacht zu wählen. Die meiste Zeit balanciert man auf dem Bike, wie beim Bergabfahren. Dazu kommt das Pedalieren, das trotz Motorunterstützung auf steilen Pfaden sehr fordernd ist. Es hatte kurz vor dem Start der Tour geregnet, dementsprechend rutschig waren die Wurzeln. Das ist bergauf noch einmal eine ganz andere Hürde.

E-Biken als sportliche Herausforderung

Maßgeblich für den Spaß oder eben Nichtspaß beim Uphill sind die Kurbellänge und die Tretlagerhöhe. Zugleich ist das Planen der Pedaltritte, das sogenannte Pedalmanagement, entscheidend für den Erfolg an höheren Hindernissen wie Stufen oder Steinen. Immer wieder blieb ich mit dem Pedal hängen, was mich jäh aus dem Tritt brachte und meist zum Stoppen zwang. Malin empfiehlt eine Kurbellänge von maximal 153 mm – "man gewöhnt sich innerhalb kurzer Zeit daran" – und eine statisch unbelastet gemessene Tretlagerhöhe von mindestens 340 Millimeter. Damit man nicht mit dem Motor aufsitzt oder mit dem jeweils hinteren Pedal an Stufen hängenbleibt.

Wie beim Downhill beflügelt auch beim Uphill rascher Lernerfolg. Man gewöhnt sich schnell daran, kaum zu Fuß überwindbare Steilstücke mit etwas Geschick hochzufahren. Doch es fühlt sich an wie ein Ganzkörperworkout mit gleichzeitigem Hometrainerfahren. So anstrengend Trailabfahrten sind, bergauf ist das um ein Vielfaches härter – Intervalltraining pur. Zum Ausruhen bleibt kaum Zeit. "Mittels hochempfindlicher Pedalmessgeräte werden auf derartigen Fahrten Spitzenleistungen des Fahrers von bis zu 1.000 Watt gemessen. Normal sind 350 bis 700 Watt", weiß Malin.

Die Hausrunde führte durch bewaldetes Gebiet, auf meist steilen Bergflanken. Die Uphills hier sind knackig, aber perfekt zum Üben. Wirklicher Flow hat sich zwar noch nicht eingestellt, aber es war spürbar anders. Für mich, der das Bergauffahren beim Mountainbiken in erster Linie als Zweck sieht, um zum Trail zu gelangen, eine echte Bereicherung. Plötzlich wird der bislang eher eintönige Part des Sports zum ganzheitlichen Erlebnis.

Der erste Gipfelsieg

Die zweite Runde führte hinauf jenseits der Baumgrenze. Diesmal auf einem brandneuen Simplon Steamer mit 150 Millimeter Federweg hinten und 160 mm vorne, angetrieben von einem Shimano-Steps-E8000-Motor, der 70 Newtonmeter Drehmoment bringt. Die Bereifung war diesmal ein neuer, sehr griffiger 650B-2.6-Zoll-Reifensatz, der sich auf Schotter als Traum erwies. Es ging über trockenen, erst waldigen, dann teils losen Trail-Untergrund nach oben. Der Lerneffekt war enorm, die Technik bergauf ging bald in Automatismen über. Etwa das Beschleunigen in den engen, steilen Kurven oder das aktive Gewichtsverlagern vor und zurück, das Vorderrad-über-die-Stufe-Lupfen und das Hinterradnachziehen. Hinterrad versetzen, Vorderrad versetzen – das neue Spiel mit dem Bike. Die Sitzposition, die irgendwo an der Spitze des Sattels ist und ständig variiert. An genau dem Punkt, an dem man noch Gewicht aufs Hinterrad bringt.

Gipfelsieg auf Tour Nummer zwei mit dem Simplon Steamer: 150 Millimeter Federweg hinten und 160 vorne, wird von einem Shimano Steps E8000 angetrieben, der ebenfalls 70 Newtonmeter Drehmoment bringt. Bereift mit 650B-Patschen, die auf Schotter unglaublich griffig sind.
Foto: Christoph Malin

Plötzlich war er da, der Uphill Flow. Es ging über einen hochalpinen Steig, stetig auf und ab, Malin nennt das "Rhythm Sections" – Fahrer und Trail fließen wie eine Einheit am Berg entlang. Immer wieder tauchten teils steile Passagen bergwärts auf, die mit Verve überwunden wurden. Ohne den pedalkraftabhängigen, geschmeidig einsetzenden Zusatzantrieb und effiziente Fahrtechnik wären solche Trails nicht fahrbar. Ich hatte bisweilen mit der richtigen Taktzahl zu kämpfen. Denn tritt man zu schnell oder zu langsam in die Pedale, wird die Motorunterstützung ineffizient. Es kommt auch hier auf den Flow an.

Die Tragepassagen klassischer "Bike und Hike"-Touren, sie werden nun gefahren, mutieren zum Spaßfaktor. Die Anstrengung ist enorm, doch der Flow übertüncht sie. Als wir oben angekommen schließlich halten, bin ich fix und fertig, schweißgebadet. Mit Schnappatmung, aber breitem Grinsen im Gesicht habe ich meinen ersten Gipfel erfahren und dabei viele fahrtechnische Schmankerln bewältigt. Dank E-Mountainbike, die für beide Touren übrigens je zwei Akkus brauchten, und Uphill Flow ein absolut einzigartiges Erlebnis.

Bereicherung, die Fragen aufwirft

Wer Mountainbiken als Sport versteht, der abseits von Forststraßen stattfindet, sollte sich dem Phänomen Uphill Flow stellen. Es ist mehr als nur ein Hype der E-Bike-Hersteller. Ich bleibe nach dem Praxistest bei meinem Urteil, dass es eine Bereicherung darstellt, in vielerlei Hinsicht. Wobei sich dieses Fazit rein auf die Ausübung des Sports beschränkt. Weiterführende Fragen wie Wegefreiheit, technische Grenzen und vieles mehr spare ich bewusst aus. Diesen Themen wird man sich stellen müssen. Wobei ich nicht glaube, dass der Uphill Flow zum Massenphänomen wird und plötzlich allerorts Mountainbiker die Steige hochfahren. Dazu ist dieser Sport viel zu anstrengend und extrem. Zudem gibt es nicht sonderlich viele Trails, die sich dafür eignen würden.

Insgesamt wird Mountainbiken damit um eine spannende Facette reicher. Stillstand war noch nie Teil dieses Sports. Im Gegenteil, er lebt seit jeher von technischen Innovationen. Daher sollte Uphill Flow eigentlich kein Grund für Streitereien sein. Für Malin hat das E-Mountainbike den Zugang zu seinem Sport verändert. Er nutzt Seilbahnen nur noch selten, geshuttelt, um zu Trails zu kommen, wird gar nicht mehr. Er fährt nun die kompletten Touren: "Das ist auf eine besondere Art und Weise sehr entspannend. Unabhängig vom Auto oder der Seilbahn zu sein. Wir haben früher ja regelrechte Vertride-Tiefenmeter-Wettbewerbe gemacht – 12.000 Tiefenmeter an einem Tag, maximal viele Trails, gigantische Seilbahnrunden im Zillertal und Ötztal. Ich freue mich natürlich immer noch, wenn eine Seilbahn da ist, und diese Runden gibt es nach wie vor. Aber das Geshuttle ist durch den Uphill Flow ersetzt worden. Das bringt dem Sport neue Impulse, Spaß und Herausforderungen und bricht verkrustete Denkstrukturen auf." (Steffen Arora, 12.6.2017)