Es ist mehr als ein Fußballspiel – es ist die Begegnung zweier europäischer Nationen, die auseinanderdriften, obwohl sie das vielleicht gar nicht wollen. Und es ist die Gelegenheit für ein Treffen zwischen der Glücksspielerin Theresa May, der seit letztem Donnerstag einige Sitze im britischen Unterhaus fehlen, und dem Glückspilz Emmanuel Macron, der nach eigenen Worten "fast zu viele" Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung haben wird.

Frankreichs Präsident und Großbritanniens Premierministerin trafen sich am Dienstagnachmittag zu einer Unterredung, gefolgt von einem Arbeitsessen. Über den Gesprächsinhalt sickerte vorerst nichts an die Öffentlichkeit. Frankreichs Position in Sachen Brexit ist bekannt: Sie ist kompromissloser und härter als der deutsche Standpunkt. Paris hat bei einem britischen Ausstieg aus der EU weniger zu verlieren als die Exportnation Deutschland. Auch politisch sieht Paris in dem Brexit, so sehr man ihn bedauert, kein eigentliches Drama, ja gar eine Stärkung der deutsch-französischen Leadership innerhalb der EU. Der Brexit-Chefunterhändler der EU, der Franzose Michel Barnier, forderte am Montag, die Ausstiegsverhandlungen "so schnell wie möglich" zu beginnen. Er "brauche" eine britische Delegation mit einem "stabilen" Mandat, erklärte er ohne Umschweife.

Keine Konzessionen

Macron hatte zu Jahresbeginn unmissverständlich erklärt: "Ein Ausstieg ist ein Ausstieg." Innenpolitisch gestärkt, dürfte er diese Haltung am Dienstag gegenüber May bekräftigt haben. Pariser Diplomaten erklären seit längerem, sie gingen einig mit May, wenn auch nicht aus den gleichen Gründen: Wenn die britische Ministerpräsidentin von "Hard Brexit" spreche, dann müsse es auch wirklich dazu führen – und nicht etwa zu nachmaligen EU-Konzessionen, welche die Briten mit einem harten Verhandlungspoker möglicherweise erhofften.

Entspannter, aber ebenso ernsthaft nahmen May und Macron in der Folge am Freundschaftsspiel ihrer Nationalmannschaften im Stade de France teil. Vor einer Gedenkminute für die Opfer der Terroranschläge von London und Manchester stimmten die 80.000 Zuschauer bewusst die beiden Landeshymen an. Der Text von "God Save the Queen" wurde auf Großleinwand eingeblendet, damit die französischen Fans mitsingen konnten.

Das ist auch eine Antwort an die britischen Freunde, die im November 2015, nur vier Tage nach den mörderischen Anschlägen im Bataclan und vor dem Stade de France, im Londoner Wembley-Stadion und bei weiteren Meisterschaftsspielen ihrerseits die "Marseillaise" intoniert hatten. Die Geste in Paris erneuert vielleicht auch ein paar britische Sympathien für Frankreich, das jenseits des Ärmelkanals als Symbol für EU-Bürokratie und -Hegemonie gilt. Ganz unabhängig vom Resultat des folgenden Freundschaftsspiels. (Stefan Brändle aus Paris, 13.6.2017)