In der sehr lesenswerten Schwerpunktausgabe des STANDARD zum Thema "Wahrheit" vom vorvergangenen Wochenende ist im Interview mit dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner, eine bemerkenswerte Aussage enthalten, die nicht unwidersprochen bleiben sollte.

Zur Frage der Erklärung juristischer Denkmuster sagt er: "Das Gericht kann in der Öffentlichkeit nicht mehr sagen, als es im Urteil äußert. Die Justiz muss so akzeptiert werden, wie sie ist. Man kann Gerichte nicht zwingen, ihre Urteile öffentlich zu rechtfertigen." Eine fatale Haltung eines Höchstgerichtspräsidenten. Die Akzeptanz der Justiz in der Bevölkerung ist ein zentraler Punkt für das Funktionieren des Rechtsstaates. Nur wenn juristische Vorgänge verstanden und nachvollzogen werden können, wird der Justiz jene Glaubwürdigkeit zuteil, die sie braucht, um als Staatsgewalt akzeptiert zu werden.

Ureigenes Interesse

Somit sollte es im ureigenen Interesse der Justiz liegen, ihre Entscheidungen so gut wie nur irgendwie möglich zu erklären. Insbesondere bei medienwirksamen Korruptionscausen, eventuell noch mit politischen Implikationen, steht der österreichische Rechtsstaat unter besonderer Beobachtung. Auf diesem speziellen Prüfstand wäre es von essenzieller Bedeutung, Mechanismen und Strukturen zu entwickeln, die Verständnis entstehen lassen können, warum eine Gerichtsentscheidung so und nicht anders ausgefallen ist.

Das bedarf jedoch einer grundlegend anderen inneren Haltung, als jene, die Jabloner vertritt. Zu hoffen, dass die Justiz so akzeptiert wird, wie sie ist, ist jedenfalls ein Irrweg. Unlesbare Urteile, nicht verständliche Urteilsbegründungen oder simple Kommunikationsverweigerung von Justizvertretern zeigen jedoch, dass Jabloner mit seiner Haltung nicht allein ist.

Sehr oft passiert es, dass Journalisten und damit die Öffentlichkeit ganz allein gelassen und ratlos zurückgelassen werden mit ihren Versuchen nachzuvollziehen, was gerade bei Gericht passiert ist oder warum man genau zu diesem Urteil gekommen ist. Diese vielfach vorhandene Abneigung, sich mitzuteilen, steht auch in radikalem Widerspruch zum oft wahrzunehmenden Lamento der Justiz, dass ihre Arbeit nicht verstanden und wertgeschätzt wird.

Dass die nachvollziehbare Erläuterung juristischer Vorgänge zwar nicht einfach, aber gut möglich ist, zeigen einzelne Mediensprecher, die jedoch in der Minderheit sind, bzw. zahlreiche Beispiele aus dem Ausland, wo gut ausgebildete Gerichtssprecher unmittelbar nach Verhandlungen einer interessierten Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen und die Interpretation nicht den Medien allein überlassen. Solange jedoch Höchstrichter der Meinung sind, man könne nicht mehr sagen, als im Urteil steht, und das müsse man halt akzeptieren, ist eine Verbesserung der Akzeptanz der Justiz wohl nur schwierig erreichbar. (Patrick Minar, 13.6.2017)