Siegfried Nagl und Mario Eustacchio.

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Graz – Irgendwie, so hat es den Anschein, hat er den überraschenden Zugewinn bei der Grazer Gemeinderatswahl vom Februar noch immer nicht verdaut.

Bürgermeister Siegfried Nagl hatte mit seiner ÖVP um fast vier Prozent zugelegt – aber als es darum ging, eine Koalition zu schmieden, stand er plötzlich nur noch mit einer Option da: einer schwarz-blauen Variante, die er eigentlich – so hatte er zuvor immer wieder beteuert – nicht wirklich präferiert habe.

Nagl vermittelt nach wie vor einen etwas grantigen Eindruck. Stets hat er eine Spitze gegen die KPÖ – die zweitstärkste Partei –, aber auch gegen die Grünen, den ehemaligen Koalitionspartner, im Köcher.

"Menschenrechtsstadt" mit FPÖ

Nagl hatte sich mit den Kommunisten wegen des Murkraftwerks, seines Lieblingsprojekts, komplett überworfen und sie als künftigen Partner ausgeschlossen. Aber auch die Grünen und letztlich die SPÖ, mit denen er jahrelang eng kooperiert hatte, fielen aus und sitzen heute auf der Oppositionsbank. Die Grünen ebenfalls wegen des Kraftwerksprojekts, die SPÖ, weil sie mangels roter Wähler aus dem Stadtsenat geflogen ist. Blieb also nur die FPÖ.

Und da stand Siegfried Nagl am Mittwoch im Trauungssaal des Grazer Rathauses, der zum Presseraum umfunktioniert wurde, präsentierte das erste schwarz-blaue Doppelbudget und sagte sozusagen als Grundbekenntnis, damit niemand auf den Gedanken komme, dass er jetzt mit der FPÖ extrem nach rechst abrutschen könnte: "Wir bleiben eine Menschenrechtsstadt." Und trotzig fügte er hinzu: "Wir werden zeigen, dass es abseits von SPÖ, KPÖ und Grünen auch eine andere erfolgreiche Sozialpolitik und Wohnbaupolitik geben wird."

Der Grant auf die KPÖ sitzt tief

FPÖ-Chef Mario Eustacchio, der als Drittstärkster nun zum Vizebürgermeister aufgestiegen ist, zeigte sich rundum zufrieden und fröhlich: "Alle, die geglaubt haben, dass wir streiten werden, wurden eines anderen belehrt. Die Koalition mit der ÖVP funktioniert hervorragend, wir haben uns gefunden." Er werde sich nun seinen zwei großen kommunalen Schwerpunkten widmen: der Ordnungswache und dem sozialen Wohnbau.

Dieses ehemalige KPÖ-Ressort hatte Eustacchio als Bedingung für eine Koalition für sich reklamiert. Die KPÖ hatte sozusagen als Bestrafung das Verkehrsressort der FPÖ umgehängt bekommen.

Nagl machte am Mittwoch aber klar, dass er und sein Bauressort im öffentlichen Verkehr, wohin die Millionen für neue Investitionen fließen, das eigentliche Sagen haben. Und nicht KPÖ-Stadträtin Elke Kahr. "Die Verantwortung des öffentlichen Verkehrs liegt bei mir und der ÖVP. Das ist Bestandteil unserer Agenda", brummte Nagl. Der Grant auf die KPÖ sitzt nach wie vor tief.

Neue Investitionen

Einig sind sich ÖVP und FPÖ, dass in den nächsten Jahren kräftig investiert werden müsse. Schon allein wegen des großen Zuzugs in die Stadt werde eine Milliarde Euro bis 2022 in den Ausbau der Infrastruktur – samt neuem Wohnbau – gesteckt. Über die konkreten Projekte der nächsten Jahre wollen ÖVP und FPÖ in einigen Wochen Auskunft geben.

Laut Finanzstadtrat Günter Riegler (ÖVP) beträgt die Verschuldung der Stadt bei einem Budget von rund einer Milliarde Euro derzeit rund 1,16 Milliarden. Sie werde bis Ende 2018 auf rund 1,25 Milliarden steigen. Aber es werde eine "dynamische Schuldenobergrenze" eingeführt. Die Pro-Kopf-Verschuldung nach Maastricht-Kriterien soll laut der Mittelfristplanung bis 2022 um 462 Euro abgebaut werden – was rund zwei Prozent pro Jahr entspricht.

Zuwachs so groß wie gesamte Einwohnerzahl Villachs

Inklusive Nebenwohnsitzen sind in Graz derzeit 321.700 Einwohner registriert – Tendenz stark steigend. "Seit 2007 ist Graz so viel gewachsen, wie Villach groß ist", sagte Nagl.

Die Grünen sprachen in einer Reaktion von einem Trauerspiel, das die schwarz-blaue Koalition abgeliefert habe. "Die Stadt steht vor großen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und der Verbesserung der Atemluft. Die von Schwarz-Blau heute neuerlich produzierten Seifenblasen und die Aufstockung der Ordnungswache, die demnächst auf Spielplätzen und im Gemeindebau patrouillieren soll, sind ganz sicher die falschen Antworten", kritisierte Umweltstadträtin Tina Wirnsberger.

KPÖ-Stadträtin Kahr meinte knapp: "Schwarz-Blau hat die Zuständigkeit für die großen Öffentlicher-Verkehr-Ausbauprojekte an sich gezogen und soll nun auch die Verantwortung übernehmen." (Walter Müller, 14.6.2017)