Heike Mensi-Klarbach, Expertin für Diversität.

Foto: privat

Wien/Innsbruck – Nun soll sie also kommen, eine Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten – den entsprechenden Initiativantrag haben die Regierungsparteien vor wenigen Tagen im Nationalrat eingebracht. "Die Quote ist der einzige Weg, um in die Problematik Bewegung hineinzubringen", sagt Heike Mensi-Klarbach vom Institut für Gender und Diversität in Organisationen an der Wirtschaftsuniversität Wien.

"Frauenförderung ist zwar schon seit Jahrzehnten in fast allen Unternehmen implementiert und auch gesetzlich verankert, hat aber offensichtlich nichts daran geändert, dass es in bestimmten Sektoren, insbesondere in hochbezahlten und mit Machtfülle ausgestatteten Berufsfeldern, nur ganz wenige Frauen gibt."

Quote als Mechanismus für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis

Die Diversitätsexpertin erforscht seit langem, wie Vielfalt in Managementkonzepten verankert werden und welchen wirtschaftlichen Nutzen eine möglichst heterogene Belegschaft auf allen Ebenen haben kann. Am Montag hielt sie am MCI Management Center Innsbruck einen Vortrag zum Thema, und zwar bei einem Femtech-Netzwerktreffen, einer vom Verkehrs- und Technologieministerium geförderten Initiative zur Erhöhung des Frauenanteils in Forschung, Wissenschaft und Technik.

"In der Debatte wird oft vergessen, dass eine gesetzliche Quote nur ein Mechanismus für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis ist", sagt Heike Mensi-Klarbach. "Ausschlaggebend ist aber oft vielmehr, wie die breite Öffentlichkeit zu dem Thema steht und welcher Boden für Chancengleichheit in Unternehmen bereitet ist."

Breit aufgestellte Führungsteams hemmen Korruption

Die WU-Forscherin war zuletzt an einer internationalen Studie beteiligt, in der gesetzliche Regelungen zur Frauenquote und die Praxis in 17 europäischen Ländern, in Australien, Israel und den USA verglichen wurden (Gender Diversity in the Boardroom erscheint demnächst bei Palgrave). "In Spanien, wo es eine gesetzliche Quote für Aufsichtsräte gibt, ist der Frauenanteil niedriger als etwa in Großbritannien oder Schweden, wo es keine Quote gibt, dafür aber ein stärkeres Commitment zu Diversität oder, wie in Schweden, eine Quote in der Politik", gibt Mensi-Klarbach ein Beispiel. "Es wird spannend sein, inwieweit die Quote in Österreich wirklich etwas für die Unternehmen und die Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen bringt."

Wie wichtig breit aufgestellte Führungsgremien sind, in denen nicht nur ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis herrscht, sondern auch Menschen mit verschiedenem kulturellem und sozialem Hintergrund und verschiedenen Alters vertreten sind, hätten bereits zahlreiche Studien gezeigt, berichtet Mensi-Klarbach: "Solche Unternehmen sind weniger korruptionsanfällig, stehen eher zu Fehlern, hinterfragen mehr und sind flexibler bei unerwarteten Entwicklungen." Skandale wie etwa bei den manipulierten Autoabgasmessungen wären mit mehr Diversität eher vermeidbar, ist sie überzeugt.

Österreich: Wenig Akzeptanz für sichtbare Symbole

Während die Frauenförderung in Unternehmen längst an der Tagesordnung ist, seien Altersmanagement und die Integration von Menschen mit Behinderung erst langsam im Kommen. Was Diversitätsmanagement in Bezug auf religiöse und kulturelle Vielfalt betrifft, sei Österreich vergleichsweise rückständig, meint Mensi-Klarbach. "Die Kopftuchdebatte ist in den Unternehmen angekommen, aber es gibt keine einheitliche Strategie, wie man damit umgeht. Tendenziell ist die Akzeptanz für derart sichtbare Symbole in Österreich nicht hoch."

Mensi-Klarbach habe die Erfahrung gemacht, dass etwa Banken kein Kopftuch im Private Banking und im Kundenkontakt akzeptieren, wohl aber im Backoffice und in migrantenstarken Bezirken. In Niedriglohnbranchen wie in der Pflege, dem Einzelhandel oder dem Facility-Management, wo es traditionell eine große Vielfalt an Nationalitäten gebe, sehe man eher die Notwendigkeit, die Diversität positiv zu nutzen. "Es gibt aber auch Unternehmen, die es sich für ihr Image schlicht nicht leisten können, sehr homogen aufgestellt zu sein."

Bekenntnis für Gleichberechtigung

Heike Mensi-Klarbach hofft jedenfalls, dass die Quote in Aufsichtsräten dazu führt, dass Unternehmen erkennen, wie geschlossen die Kreise sind, aus denen sie rekrutieren. Ein echtes Umdenken setze aber voraus, dass es ein grundsätzliches Bekenntnis zu Gleichberechtigung und Gerechtigkeit gibt – damit es nicht nur bei der Erfüllung von Vorschriften und Lippenbekenntnissen bleibt. (kri, 14.6.2017)