Christian Kern will sich mit einem Kriterienkatalog alles offenhalten.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Bild nicht mehr verfügbar.

Ob FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (re.) als Partner infrage kommt, wird nach der Wahl entschieden. Die SPÖ will jedenfalls nicht nur auf ÖVP-Chef Sebastian Kurz angewiesen sein.

Foto: reuters

Christian Kern hat eine undankbare Aufgabe, vielleicht sogar eine unlösbare. Er muss zwei Lager vereinen, die man eigentlich nicht vereinen kann. Jenes, das der Meinung ist, die SPÖ solle, um nicht noch einmal von der ÖVP in "Geiselhaft" genommen zu werden, im Zweifelsfall beide Augen zudrücken, die Nase zuhalten und eine Regierung mit der FPÖ bilden. Zahlenmäßig ist dieses Lager, dessen Wortführer Hans Niessl ist, wahrscheinlich schon längst in der Mehrheit. Wohl nicht ganz zufällig wurde zuletzt eine interne Umfrage publik, laut der im niederösterreichischen Hainfeld – dem Gründungsort der SPÖ – 72 Prozent der SPÖ-Funktionäre für Rot-Blau wären.

Es gibt aber noch immer das andere Lager, für das Strache das personifizierte Böse ist und eine rot-blaue Koalition ein Grund für einen Parteiaustritt wäre. Ein Lager, das den Beteuerungen der FPÖ, man sei eh nicht für einen EU-Austritt, nicht trauen will. Das die immer wiederkehrenden "Einzelfälle" von FPÖ-Funktionären, die am rechtsextremen Rand anstreifen, nicht akzeptieren kann und will. Dessen Wortführer ist Michael Häupl, der, obwohl er bereits designierter Politpensionist ist, bei jeder sich ergebenden Gelegenheit betont, wie unvorstellbar für ihn eine Zusammenarbeit mit der Strache-FPÖ sei.

Sieben Bedingungen

Dieses Dilemma der SPÖ spiegelt sich auch im nun präsentierten Kriterienkatalog wider. Über weite Teile ist er zwar so formuliert, dass sich jede Parlamentspartei darin wiederfinden kann. Er enthält aber auch Passagen, die Rot-Blau aus derzeitiger Sicht ganz klar ausschließen würden.

So ist die Einführung einer Erbschaftssteuer oder anderer vermögensbezogener Steuern ein Teil der SPÖ-Bedingungen für eine künftige Koalition. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wiederum hat sich bei dieser Frage genau gegenteilig positioniert. Vermögenssteuern lehnt er grundsätzlich ab, eine Erbschaftssteuer wäre für ihn "gestohlenes Geld", ließ der blaue Frontmann das Wahlvolk bereits wissen. Weiters fordert Kern von einem künftigen Partner ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft. Strache hat seinerseits Volksabstimmungen über die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern angekündigt. Eines ist also klar: Zumindest einer der beiden wird gehörig umfallen müssen, sollte es zu einer Koalition kommen.

Spiel auf Zeit

So weit sind wir aber natürlich noch lange nicht. Die Wahlen finden erst in vier Monaten statt, und nach dem Wahlkampf wurde schon so manches Versprechen uminterpretiert. Kern geht es jetzt vor allem darum, Zeit zu gewinnen. Er möchte sich vor dem 15. Oktober nicht mit Wer-mit-wem-Spielchen beschäftigen. Sofern er es schafft, innerparteiliche Debatten über das Ende der Ausgrenzungspolitik zu verhindern, macht das auch Sinn. Vor inhaltlichen Schwerpunkten geht der Wahlkampf von ÖVP-Herausforderer Sebastian Kurz ja bis jetzt nicht gerade über.

Nach der Wahl steht der Kanzler aber wieder vor der ungelösten Aufgabe. Offen ausgetragene Flügelkämpfe sind wohl nur dann zu vermeiden, wenn er klar als Erster über die Ziellinie geht (wonach es derzeit nicht aussieht). Nur dann kann er die blaue Karte ziehen, ohne dass sich größere Teile der Partei abwenden. Als Zweiter oder gar Dritter kann sich Kern seinen Kriterienkatalog allerdings aufzeichnen. Den Vize unter Strache zu geben, wird die SPÖ nicht unbeschadet überstehen. Einen Vize Kern unter einem Kanzler Kurz wird der ÖVP-Chef zu vermeiden versuchen. In beiden Szenarien darf sich Christian Kern dann Oppositionsführer nennen. (Günther Oswald, 15.6.2017)