"Wir fühlen uns nicht ausgeladen, sondern es ist ein Stück politische Normalität eingekehrt", findet Norbert Hofer.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Die FPÖ kann mit den roten Bedingungen für eine etwaige Regierungszusammenarbeit nach der Nationalratswahl im Oktober gut leben: "Es ist in Wirklichkeit nichts unüberwindbar", sagt Vizeparteichef Norbert Hofer im STANDARD-Interview. Nur ein einziger Punkt in der von SPÖ-Chef Christian Kern präsentierten Liste mit sieben Koalitionsbedingungen wäre mit größerem Gesprächsbedarf verbunden: Der Kanzler möchte die Abschaffung des Pflegeregresses durch eine Erbschaftssteuer finanzieren.

Das lehnt die FPÖ ab: "Wir hätten noch andere Möglichkeiten, das zu finanzieren", sagt Hofer. Laut Rechnungshof gebe es etwa im Gesundheitsbereich jährliche Mehrkosten von 4,75 Milliarden Euro, weil "Patienten im falschen Bett liegen, nämlich Pflegepatienten in Akutbetten". Zuerst müssten diese Potenziale gehoben werden, sagt Hofer, der als eine FPÖ-Koalitionsbedingung den Ausbau der direkten Demokratie nennt.

STANDARD: Die SPÖ hat einen "Wertekompass" und sieben Koalitionsbedingungen vorgelegt. Fühlen Sie sich jetzt zu einer Koalition eingeladen oder weiterhin ausgeladen?

Hofer: Wir fühlen uns nicht ausgeladen, sondern es ist ein Stück politische Normalität eingekehrt. Nämlich dass nach einer Wahl die demokratisch gewählten Parteien miteinander sprechen und versuchen, eine Regierung zu bilden. Und das ist auch gut so.

STANDARD: Ist die FPÖ damit auch für die SPÖ "salonfähig" geworden nach der Vranitzky-Doktrin mit dem klaren Nein beziehungsweise dem entsprechenden Parteitagsbeschluss?

Hofer: Der Parteitagsbeschluss ist ja nach wie vor aufrecht, das heißt, da fehlt dann noch eine Abstimmung unter den SPÖ-Mitgliedern, damit dann tatsächlich im Fall des Falles eine Koalition möglich werden würde. Das heißt nicht, dass es so kommt. Es sind noch vier Monate bis zur Wahl. Es kann alles Mögliche passieren. Kein Mensch weiß, wie diese Wahlen ausgehen werden – üblicherweise nicht so, wie die Meinungsforscher es voraussagen, das haben wir auch schon gelernt. Und welche Koalitionsvarianten es danach gibt, ist in Wirklichkeit auch völlig offen. Also es gibt ganz, ganz viele Unbekannte. Aber klar ist: Es gibt eine weitere Option, die sich eröffnet hat, nämlich Gespräche zwischen FPÖ und SPÖ.

STANDARD: Gibt es aus Ihrer Sicht in den sieben Koalitionsbedingungen Ausschlussgründe für die FPÖ?

Hofer: Es ist in Wirklichkeit nichts unüberwindbar. Der eine Punkt, der auch von Kern genannt worden ist, ist die Erbschaftssteuer, dass man die Abschaffung des Pflegeregresses über eine neue Steuer finanziert. Da dreht sich wieder alles im Kreis. Wir hätten noch andere Möglichkeiten, das zu finanzieren. Wir haben, das sagt uns der Rechnungshof, im Gesundheitsbereich allein durch die Tatsache, dass Patienten im falschen Bett liegen, nämlich Pflegepatienten in Akutbetten, jährliche Mehrkosten von 4,75 Milliarden Euro. Das übersteigt bei weitem das, was man durch eine neue Erbschaftssteuer einnehmen könnte. Damit könnte man nicht nur den Pflegeregress abschaffen, sondern auch das Pflegegeld anpassen. Da müssten wir ansetzen, bevor wir uns über neue Steuern Gedanken machen. Das sind alles Dinge, die man besprechen muss. Nur wir sind meilenweit davon entfernt. Jetzt müssen wir einmal die Wahl schlagen. Insgesamt, und das habe ich in der Politik gelernt, muss man versuchen, in Zeiten von Wahlen die vielen vielen Nebelfelder, die sich auftun, beiseitezuschieben und auf das Wesentliche zu blicken. Wir hatten den Plan A, wir haben jetzt diese Punkte ... Meine Erfahrung ist, dass es nach Wahlen einen sehr pragmatischen Zugang gibt und Gespräche und Lösungen immer möglich sind.

STANDARD: Noch einmal: Zur Erbschaftssteuer sagen Sie klar Nein?

Hofer: Insgesamt haben wir mit neuen Steuern keine Freude. Wir haben ja ein riesiges Potenzial an Möglichkeiten, wo wir durch eine bessere Organisation des Staates auch Mittel freimachen könnten, die den Menschen zugutekommen. Ich bin dafür, dass man zuerst das vorhandene Potenzial hebt und die ganzen Reibungsverluste abstellt.

STANDARD: Was sagen Sie denn zu den Werten, die die SPÖ sich und einem etwaigen Koalitionspartner verordnet? Bekenntnisse zu Menschenrechten, Europa, sozialer Sicherheit, Gleichstellung der Geschlechter, Bildung und Freiheit der Kunst. Finden Sie sich in diesem "Wertekompass" wieder?

Hofer: Ich glaube, es gibt keine Partei im Parlament, die sagen würde, um Gottes Willen, da finden wir uns nicht wieder. Das ist so formuliert, dass es eigentlich für keine Partei im Parlament einen Ausschließungsgrund geben könnte.

STANDARD: Es heißt immer, in der FPÖ würde man sagen: Wenn Koalition, dann viel lieber und leichter mit der SPÖ. Stimmt das so?

Hofer: Natürlich gibt es Stimmungsbilder, wo man sagt: Na ja, es ist natürlich leichter, mit einer Partei zu verhandeln, die nicht so organisiert ist, dass es dort viele Chefs gibt. Das ist keine Frage, aber auf das kommt's nicht an. Wir wollen uns wirklich nicht vorher festlegen, sondern schauen, wie geht die Wahl aus, wer ist dann wirklich Sieger, wie sind die Prozentsätze der einzelnen Parteien, und vor allem, kann man sich auf Inhalte einigen? Das wird das Allerwichtigste sein. Wo gibt es die größten Umsetzungsmöglichkeiten, und können die Parteichefs auch miteinander? Das darf man nicht unterschätzen. Damit die Chemie stimmt, müssen auch die Parteichefs der Koalitionsparteien ein Grundvertrauen zueinander aufbauen. Es gibt in einer Koalition immer Probleme, und wenn es da dieses Grundvertrauen nicht gibt, dass man sagt, der andere will mich nur ausrutschen lassen, dann funktioniert's nicht. Diese beiden Dinge müssen stimmen.

STANDARD: Jetzt formuliert die SPÖ Koalitionsbedingungen, nach der Wahl könnte es aber die FPÖ sein, die Bedingungen stellen kann, weil sie die Partei ist, die zu einer Regierungsmehrheit verhilft. Was sind denn blaue Koalitionsbedingungen, ohne die Sie es nicht machen?

Hofer: Ein Beispiel ist die Stärkung der direktdemokratischen Instrumente in Österreich. Das ist für uns ein ganz ganz wichtiger Punkt, mehr direkte Demokratie möglich zu machen. Oder ein anderer Punkt: Vom Rechnungshof gibt es ja ganz viele Vorschläge. In der Praxis sieht das so aus, dass der Präsident oder jetzt die Präsidentin dem Parlament einen Bericht präsentiert und sagt, wo es Verbesserungsvorschläge gibt, aber das dann meist nicht umgesetzt wird. Die meisten Gesetzesvorschläge kommen ja aus den Ministerien, und da hätten wir gerne eine Schnittstelle eingebaut zwischen Rechnungshof und Parlament: einen echten, starken Legislativdienst, der gemeinsam mit Budget- und Volkswirtschaftsexperten auf Basis dieser Rechnungshofvorschläge fertige Gesetzestexte vorlegt, in denen auch gleich gezeigt wird, wie sich das auf das Budget oder auf die Volkswirtschaft, die Arbeitsplätze auswirkt. Oft sind ja Reformmaßnahmen in den ersten ein, zwei Jahren mit Mehrausgaben verbunden, nicht immer, aber es kann sein, und dann wäre es viel leichter, das direkt im Parlament umzusetzen. Das ist eigentlich eine Kleinigkeit, aber damit könnte man sehr viel bewirken. (Lisa Nimmervoll, 15.6.2017)