David Hasselhoff und seine noch weniger hüftsteifen Helferinnen besorgten mit Schlagerrock aus den Achtzigern den Schlussakt am Nova Rock.

APA/Herbert P. Oczeret

Der Rapper Machine Gun Kelly setzt auf milchbubige Coolness in Röhrenjeans.

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Nickelsdorf – Eines muss man dem Nova Rock lassen: Als Festival mit Bekenntnis zu Schweiß, Dreck und Bierdunst stellt es für Instagram-Modeblogger nach wie vor eine denkbar unattraktive Spielwiese dar. Anders als etwa beim kalifornischen Coachella Valley Music and Arts Festival sieht man in Nickelsdorf derlei Verirrte schon nach einem halben Nachmittag nur noch am Smartphone wischen und sich postingtechnisch auf die Präsentation des eigenen Schuhwerks beschränken. Kein Wunder bei Bands wie Eskimo Callboy, die ihre Fangemeinde spontan zu einem "Ruhrpott-Holi-Festival" anspornen – also nein, nicht das mit den Farben, sondern das mit dem Schlamm.

Ein besseres Fotomotiv war am Abschlusssamstag des Nova Rock definitiv Machine Gun Kelly. Der 27-Jährige aus Cleveland Ohio ist der geilste Röhrenjeans-Rapper von Scheibbs bis Nebraska. Das muss der Left Boy halt einfach einsehen. Live schieben hinten zwei Keyboarder, ein DJ und ein analoger Drummer an, vorne kratzt eine reduzierte E-Gitarre herum, Kelly haut die Doubletime-Rhymes raus und bewegt sich dazu wie Justin Timberlake nach einer Testosteronbehandlung. Im Mai ist sein neues Album "Bloom" erschienen.

"The Boys Are Back In Town"

Hinter dem leider ein wenig nach Zirkus klingenden Namen Black Star Riders verbergen sich Spitzenmusiker der einflussreichen irischen Rockband Thin Lizzy. Am Nova Rock mussten sie ihre bis zu drei Gitarrenstimmen vor viel zu kleinem Publikum erheben, gingen dank des Anspruchs an sich selbst aber dennoch in die Vollen. Spätestens mit dem Thin Lizzy-Song "The Boys Are Back In Town" war alles gesagt. Die Buben wollten spielen, notfalls auch alleine.

Ganz anders, aber auf ihre Art sehenswert: die niederländische New-Age-Metalband Epica. Der Name ist Programm. Wenn man einmal kurz die Fassung verliert, schwenkt man hier seine Teufelshörner wie ein Feuerzeug zu "Candle In The Wind". Eine potentielle Songcontest-Siegerband mit Mut zu Keyboard-Klangteppichen mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis, Science-Fiction-Artwork, Enya-Melodik und dem Pathos eines Sowjet-Männerchors. Gesungen wird hier aber von Simone Simons. Schön und wohltuend, auch einmal eine weibliche Stimme zu hören.

Alle Register der Massenunterhaltung

Headliner Green Day lieferten eine Zweieinhalb-Stunden-Show, bei der sie gut zwei Dutzend Songs ihrer dreißigjährigen Bandgeschichte aus dem Ärmel schüttelten. Ein wie immer gut überdrehter Frontmann Billie Joe Armstrong zog alle Register der Massenunterhaltung, die phasenweise sogar an der eigenen Verspieltheit zu scheitern drohte. Aber wie soll man schon still halten, wenn das aktuelle Album "Revolution Radio" (2016) wie zu allerbesten Anti-Bush-Zeiten wieder dankbar von einem US-Präsidenten an die Chartspitze getragen wird.

1994 erschien das weltweite Durchbruchsalbum "Dookie". Zu hören gab es etwa die erste Hitsingle "Longview", die ikonische Mittelschüler-Hymne "Basket Case" und ein etwas verhatscht dargebrachtes "When I Come Around". Eine Stunde ihrer Arbeitszeit reservierten sich Green Day aber auch für ausgedehnte Kasperliaden. Billie Joe leitete die Sprechchöre (bis hin zur Imitation von Tierlauten) minutenlang wie ein Maestro am Dirigentenpult an, er sorgte mit Pantomimik für Lacher oder rückte dem Publikum mit Wasserschlauch und T-Shirt-Kanone zu Leibe.

Einmal lag der Sänger wie ausgeknockt am Boden und trällerte A-Cappella kleine Hommagen an "Always Look On The Bright Side of Life", "Satisfaction" oder "Hey Jude". In der Senkrechten gab es noch einen Gitarrencontest mit Leuten aus dem Publikum, wo erst der dritte Kandidat fehlerlose drei Akkorde spielen und zum Dank eines von Billie Joes Arbeitsgeräten geschenkt bekam. Mit "Good Ridance (Time Of Your Life)", der wahrscheinlich schönsten Punkrockballade, die es gibt, leiteten Green Day schließlich unter Konfettiregen zum Late Night Guest über.

Der "Night Rocker" in Austria

David "The Hoff" Hasselhoff kannten wohl einige der jüngeren Anwesenden nur noch als Schenkelklopferwitz ihrer Eltern. Die unfassbar trashigen Videoeinspielungen dieser beispiellosen US-amerikanischen Funk- und Fernsehkarriere müssen auf sie wirken, wie zufällig abgefangenes Analysematerial von Außerirdischen, mithilfe dessen der Beschluss gefasst wurde, die Menschheit für alle Zeit nicht weiter zu behelligen. Aber auch für Eingeweihte taten sich Rätsel auf: Die Frage "Warum legt er seinen Gürtel ab?" könnte das neue "Warum liegt hier Stroh?" werden.

Von der Hüftbeengung befreit sang sich The Hoff ohne Schimpf und Tadel gutmütige Schlager von der Seele: "Country Roads", "Sweet Caroline", "Crazy for you", "Looking For Freedom" und als Draufgabe "Ein Bett im Kornfeld" vom Bruder im Geiste, the one and only Juergen Drews. Obwohl körperlich in bestechend austrainierter Form, mussten vier um Hasselhoff kreisende Lack-und-Leder-Kätzchen dennoch hart arbeiten, um ein wenig Statik rauszunehmen.

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In Plauderlaune gekommen, erzählte er dafür von seiner ersten Begegnung mit dem Homo Austriacus. "Nicki" vom "Rennbahn-Express" habe damals seinen privaten KITT zu Schrott gefahren und ihm danach eröffnet, dass es dort drüben einen ihm bis dahin unbekannten Flecken Land geben soll, in dem sein Song "Night Rocker" gerade die Charts stürme. Von Wiener Neustadt aus habe er dann seinen Gesang über die Welt getragen. So ähnlich, sagt man, soll sich ja auch die Sache mit der Mauer zugetragen haben. Fake News? Believe me! It's true! (Stefan Weiss, 18.6.2017)