Die etablierten Parteien gehen massiv geschwächt aus dem Wahlfrühjahr.

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In Frankreichs Politlandschaft regieren zurzeit die Superlative. Als "politischer Urknall" wird der beispiellose Siegeszug von Emmanuel Macrons gerade einmal 14 Monate alter Bewegung "La Republique en Marche" schon einmal bezeichnet. Noch nie in der Geschichte der Fünften Französischen Republik habe ein Präsident außerdem mit relativ gesehen so wenigen Wählerstimmen eine derart große Parlamentsmehrheit ins Ziel bringen können. Das hat Macron nicht nur seinem ansteckenden Optimismus und seiner jugendlichen Energie zu verdanken. Es ist vor allem die Gunst der Stunde, die den jüngsten Präsidenten der Republik (ein weiterer Superlativ) hervorgebracht und ihn nun mit einer anständigen Mehrheit im Parlament ausgestattet hat.

Die Franzosen wollten den politischen Umbruch und haben ihn jetzt auch im Parlament bekommen. Teilweise, weil sie ihm an den Urnen bewusst zugestimmt haben, aber auch deswegen, weil sie eben nicht zur Wahl gegangen sind und sich ihrer Stimmen enthalten haben. Sie stehen damit nicht allein auf weiter Flur, denn in fast allen westlichen Demokratien haben die etablierten Parteien mit einem Glaubwürdigkeits- und Transparenzproblem zu kämpfen, das sich gewaschen hat. Aber dieser gründliche Umbau, der umfangreiche politische Personalwechsel in der Nationalversammlung, der Frankreich nun bevorsteht, ist doch einzigartig.

Geschwächste etablierte Parteien

Die etablierten Parteien, die die Geschicke des Landes in den letzten Jahrzehnten gelenkt haben, gehen geschwächt aus dem Wahlfrühjahr. Vor allem die bisher regierenden Sozialisten liegen am Boden. Zwei ihrer zentralen Führungsfiguren, Manuel Valls und Benoît Hamon, stehen der Partei nicht mehr zum Wiederaufbau zur Verfügung. Scharen von sozialistischen Abgeordneten müssen ihre Sessel räumen, oft zugunsten von völligen Politikneulingen aus Macrons Bewegung.

Und auch die bisher erfolgreichste Protestpartei, der rechtsextreme Front National von Marine Le Pen, wird keine Rolle im Parlament spielen. Teils natürlich wegen der Eigenheiten des französischen Mehrheitswahlrechts, zum Großteil aber wegen interner Machtkämpfe, die in einem Rückzug der bei stramm rechten Wählern beliebten Le-Pen-Nichte Marion Maréchal-Le Pen gipfelten. Sie alle stehen jetzt vor den Trümmern ihres ehemaligen Glanzes und müssen sich strategisch und auch personell neu aufstellen und sich überlegen, wie sie ihre Rolle in einer marginalisierten Opposition anlegen.

Wie Gott in Frankreich

Macron kann sich heute also fühlen wie der viel zitierte "Gott in Frankreich", sich aufs Regieren mit satter Parlamentsmehrheit freuen, auch wenn ihm Umfragen Hoffnung auf noch mehr gemacht hatten. Am heutigen Tag kann er innehalten und den Ausblick vom Olymp der Macht genießen. Und er kann noch die Tatsache beiseite schieben, dass die geringe Wahlbeteiligung ein Zeichen dafür ist, dass Frankreich weit weniger vereint hinter ihm steht, als es den Anschein hat.

Die Skeptiker, die Verdrossenen, die Resignierten gibt es immer noch im Land. Sollte Macron sich vom charismatischen Erneuerer zum diskursunwilligen Machtpolitiker wandeln, könnte sich der politische Protest schnell verstärkt auf die Straße verlagern. Den ersten Test hält die Innenpolitik für Macron bereit. Bis September will er seine große Arbeitsmarktreform durch das Parlament bringen. Und zielt damit auf die Entmachtung der Gewerkschaft ab. Bonne chance! (Manuela Honsig-Erlenburg, 18.6.2017)