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Luxemburg – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat seine Forderung nach einer Schließung der Mittelmeerroute für Flüchtlinge gegen Kritik von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) verteidigt und sieht im Kreis der EU "definitiv" Unterstützer für seine Forderung nach Schließung der Mittelmeer-Route. So habe sich in einer Debatte der EU-Außenminister am Montag in Luxemburg auch sein ungarischer Kollege Peter Szijjarto zu Wort gemeldet, sagte Kurz nach der Diskussion. Österreich und Ungarn würden aber nicht gegen die anderen 26 EU-Staaten stehen.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat seinem österreichischen Kollegen daraufhin offen widersprochen. Nur die Außenminister von Österreich und Ungarn hätten die Frage von Hotspots außerhalb Europas angesprochen, sagte Gabriel am Montag nach Beratungen der EU-Außenminister in Luxemburg.

"Am Ende des Tages ..."

"Ich ich bin überzeugt davon, dass dies am Ende des Tages die Linie der Europäischen Union sein wird", ist Kurz überzeugt. Zuvor hatte er gesagt, in der Frage das Gespräch mit Kern suchen zu wollen.

"Alles andere führt zu immer mehr Menschen, die zu uns kommen, und vor allem zu immer mehr Toten", so Kurz im Vorfeld des EU-Außenministertreffens. Natürlich brauche es politischen Willen. "Und natürlich muss man das europäische Asylsystem dramatisch verändern. Aber so wie es derzeit ist, kann es ja nicht weitergehen", sagte der Außenminister. Das Dublin-System, wonach der Staat der Erstankunft für Asylverfahren zuständig ist, gebe es nur auf dem Papier. "In Wahrheit stellt die Masse nicht ihren Asylantrag in Griechenland oder in Italien."

Flüchtlingszentren außerhalb der EU

Kurz ließ offen, wie sein Vorschlag konkret in die Praxis umsetzbar wäre. Österreich habe sich jedenfalls immer für Flüchtlingszentren außerhalb Europas ausgesprochen, damit die Rettung im Mittelmeer nicht verbunden sei mit dem Ticket nach Mitteleuropa. "Solange die Menschen nach der Rettung nach Mitteleuropa weitergebracht werden, solange werden sich immer mehr Menschen auf den Weg machen, die Schlepper werden immer besser verdienen, und das schlimmste: Es werden immer mehr Menschen ertrinken", bekräftigte der Außenminister seine bekannte Position.

"Sobald man nach der Rettung die Menschen an der Außengrenze stoppt, versorgt und die Rückstellung organisiert, ab diesem Zeitpunkt werden sich kaum noch Menschen auf den Weg machen. Insofern ist unsere Haltung klar. Die werden wir weiterhin auf europäischer Ebene vertreten", unterstrich der Außenminister, der aber nicht konkret auf die Kritikpunkte von Kanzler Kern an seiner Linie einging. Kurz betonte, er sei in der Frage der Mittelmeerroute gut abgestimmt mit dem Innen- und dem Verteidigungsminister.

Gespräch mit Kern

Im Ö1-Morgenjournal hatte Kurz zuvor gesagt, dass er in dieser Frage das Gespräch mit Kanzler Kern suchen werde. Er hoffe nicht, dass Kern gegen die Schließung der Mittelmeerroute sei, "aber ich werde das mit ihm persönlich besprechen und nicht übers Radio", sagte Kurz. "Ich erhoffe mir Unterstützung für meine Politik."

Der Außenminister fühlt sich an die Diskussion vor Schließung der Westbalkanroute erinnert. In dieser Phase hätten fast alle die Schließung für unmöglich gehalten oder sie für rechtswidrig oder unmenschlich befunden, sagte Kurz in Luxemburg. Die Schließung der Westbalkanroute sei aber ein Erfolg gewesen, dies sei auch in der EU mittlerweile "common sense".

Kern: "Gut klingende Parolen"

Kern hatte seinem Außenminister am Wochenende vorgeworfen, in der Frage der Mittelmeerroute "gut klingende Parolen" zu verbreiten, mit denen sich die Herausforderung der Migration nicht lösen lasse. Der Kanzler stimmte in diesem Zusammenhang der Veröffentlichung eines eigentlich vertraulichen Gesprächs mit Journalisten zu, in dem er seine Kritik am Donnerstag untermauert hatte. Damit bestätigte er auch, dass er die Vorschläge von Kurz als "populistischen Vollholler" bezeichnet hatte.

"Ich bin dafür, dass wir die Mittelmeerroute schließen, ich bin für Freibier für alle und die Lohn- und Einkommenssteuer halbieren – wenn wir wissen, wie wir das funktionierend hinkriegen", sagte Kern. Der Kanzler argumentierte vor den Journalisten mit den hohen Kosten sowie der Terrorgefahr und möglichen Destabilisierung Nordafrikas durch Flüchtlingszentren und pochte auf die Notwendigkeit, in die betroffenen Länder zu investieren und auch Quoten sowie Methoden für reguläre Migration nach Europa zu schaffen.

Asselborn: Afrika als Partner

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte vor dem EU-Ministertreffen, Europa bleibe selbstverständlich mit Migrationswellen nicht nur für die nächsten zwei oder drei Jahre, sondern für das nächste Jahrzehnt konfrontiert. "Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Entwicklungshilfe zurückzuschrauben, das wäre der größte Fehler, den wir machen könnten", sagte Asselborn. Die EU müsse Afrika als Partner sehen und jungen Menschen dort eine Lebensperspektive ermöglichen. Deutsche Schätzungen, wonach eine Million Klimaflüchtlinge aus Afrika nach Europa kommen könnten, bezeichnete Asselborn als riskant. Man sollte nicht Zahlen in den Raum setzen, die nicht zu beweisen wären. (APA, 19.6.2017)