Die Leseschlange-Büchertasche.

foto: gb91718

Eine neue Büchertasche für das Kreuzgassenviertel.

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Gibt es eine zweite Chance für staubige Bücher, die nur die Regale hüten? An vielen Orten in Wien findet man sogenannte Büchertaschen, aus denen man sich Lesestoff mitnehmen oder die man mit ungenutzten Büchern auffüllen kann. Dadurch werden unbedeutende Stadträume zu Orten, an denen sich Stadtbewohner begegnen und austauschen.

Die Gebietsbetreuung Stadterneuerung im 9., 17.und 18. Bezirk – kurz GB*9/17/18 – hat das Projekt unter dem Titel "Leseschlange" vor dreizehn Jahren entwickelt. Damals hatte man noch Sorgen, ob man sich in Zukunft überhaupt noch für gebrauchte Bücher interessieren würde. Inzwischen haben tausende Bücher ihr Regal gewechselt und bestätigen die Theorie, dass ein digitales Umfeld den analogen Ausgleich sucht.

Büchertaschen zum Tauschen

Inzwischen gibt es in vielen Stadterneuerungsgebieten solche Büchertaschen. Was braucht es dazu? Vor allem einen geeigneten Standort, an dem man eine Büchertasche aufhängen kann – am Besten einen Zaun. Der Ort selbst soll für möglichst viele Passanten erreichbar und einsehbar sein. Außerdem müssen Einrichtungen, Institutionen oder Nachbarn gefunden werden, die sich bereit erklären, ein Auge auf die Büchertasche zu werfen. Manchmal muss Müll aus der Tasche entfernt oder eine Beschädigung an die Gebietsbetreuung gemeldet werden.

Die Büchertaschen sind die kostengünstigeren "Schwestern" der "offenen Bücherschränke", die man in Wien findet. An vielen Orten ist es technisch nicht möglich, einen fixen Bücherschrank aufzustellen und zu warten. Hier hat sich die Büchertasche als kostengünstige Variante bewährt. Am Kutschkermarkt im 18. Bezirk ist aus einer temporären Büchertasche inzwischen eine große, dauerhafte Tasche geworden. Vier Jahre hing die Tasche dort, bis sie im Sommer 2016 plötzlich verschwand. Dann erreichen Anrufe besorgter Bewohner die Gebietsbetreuung mit der Bitte, die Büchertasche möglichst bald wieder aufzuhängen. "Die Büchertasche ist auf meinem alltäglichen Spazierweg ein fixer Punkt, um kurz Rast zu machen", heißt es etwa. Oder: "Die Büchertasche ist für ältere Bewohner enorm wichtig, weil sie einer der Gründe ist, hinaus zu gehen." Rasch wurde eine neue Büchertasche, finanziert von der Bezirksvorstehung in Währing, produziert. Nun kann am Kutschkermarkt weitergeschmökert werden.

Mehrsprachige Büchertasche

Kürzlich ist eine weitere Büchertasche fertig geworden. Die neue "Stadtsafari-Büchertasche" wurde Mitte Juni am Johann-Nepomuk-Vogl-Platz angebracht. Für diese Büchertasche werden möglichst viele mehrsprachige Bücher gesammelt, um neben Büchern auch unterschiedliche Sprachen in das Stadtviertel zu bringen.

Jede Büchertasche, jeder Bücherschrank macht ein Stück öffentlichen Raum zu einem neuen Begegnungsort, an dem sich Stadtbewohner austauschen – mit und ohne Bücher. An Orten, an denen wir uns begegnen entsteht Stadt, davon soll es mehr geben. Haben Sie schon einmal ein Buch aus einer Büchertasche entnommen? (Amila Širbegović, 27.6.2017)