New Haven – Es ist ein wiederkehrendes Naturschauspiel der Superlative: Am Ende der Regenzeit wandern jährlich rund 1,2 Millionen Gnus aus der Serengeti auf der Suche nach Futter in das Masai-Mara-Gebiet in Kenia. Mit dem Beginn der Regenzeit kehren sie wieder zurück. Bei diesen eindrucksvollen Wanderungen müssen sie den Mara-Fluss überqueren, den einzigen Fluss im Serengeti-Nationalpark, der das ganze Jahr über Wasser führt.

Gnus bei der Überquerung des Mara-Flusses.
Foto: Chris Dutton

Diese Flussüberquerungen sind eine gefährliche Angelegenheit – nicht nur, weil dort stets viele Jäger auf das Ereignis warten: Jedes Jahr ertrinken Tausende Tiere oder werden von ihren Artgenossen zertrampelt. Forscher der Yale University haben nun in einer Studie im Fachblatt "Pnas" das genaue Ausmaß des Gnu-Sterbens untersucht und analysiert, welchen Einfluss es auf das Ökosystem des Flusses hat.

1.100 Tonnen Biomasse

In fünfjähriger Feldforschung und unter Einbeziehung von Daten aus einem Jahrzehnt ermittelten sie einen jährlichen Durchschnittswert von 6.250 im Fluss verendeten Gnus. Massensterben durch Ertrinken traten in dreizehn von 15 untersuchten Jahren auf, rund 1.100 Tonnen Biomasse gelangten demnach jährlich in Form von toten Gnus in den Fluss. "Um sich das bildlich vorzustellen: Das ist etwa so, als würden jährlich zehn Blauwalkadaver in diesen vergleichsweise kleinen Fluss gespült", sagte Koautorin Emma Rosi. Und das habe große Folgen für die Region.

Tausende Tiere überleben die Migration nicht, Profiteure gibt es viele.
Foto: Amanda Subalusky

Mithilfe von Computermodellen, Videofallen und Isotopenanalysen untersuchten die Forscher das weitere Schicksal der Kadaver genauer. Demnach dauerte es zwischen zwei und zehn Wochen, bis außer den Knochen nichts mehr übrig war. Während dieser Zeit dienten die Gnu-Überreste vielen anderen Tieren als Hauptnahrungsquelle: Neben Fischen vor allem Vögeln wie Marabus und Geiern. Krokodile machten überraschenderweise nur zwei Prozent der Profiteure aus.

Die Knochen hingegen beeinflussen den Nährstoffkreislauf des Ökosystems über Jahre hinweg. "Das Massensterben ist ausgesprochen folgenreich", so Rosi. "Das verwesende Fleisch liefert dem aquatischen Ökosystem rasant enorme Nährstoffressourcen – aber die Knochen, die beinahe die Hälfte der Biomasse ausmachen, reichern den Fluss langfristig an und haben einen großen Einfluss auf die Nahrungskette." (dare, 19.6.2017)