Zu sehen im Kasseler Palais Bellevue: Roee Rosens "The Dust Channel" (2016).

Foto: Daniel Wimmer

Operngesang lockt Documenta-Besucher im Palais Bellevue in jenen Raum, den der israelische Künstler Roee Rosen (geb. 1963) bespielt. The Dust Channel heißt das dort laufende Video aus dem Jahr 2016, dessen Abstrusität einen kurz einmal baff macht.

Die Bewohner eines gehobenen Haushalts lobpreisen hier die Reinigungskraft ihres Dyson-Staubsaugers – "Sauge, sauge, sauge!". Und ob man sich dabei nun Schelmisches denkt oder nicht: Im nächsten Moment vollführt schon ein Hausmädchen an einem ebensolchen Gerät erotische Handlungen. Dazwischen wird bodengewischt, mit Essen herumgepatzt, und ein Messer schneidet durch ein Spiegelei, das eine Überblendung zuvor noch ein Auge war.

Sauberkeitsfimmel und Wüste

Wer dabei an Luis Buñuels Andalusischen Hund denkt (Stichwort: Rasierklinge durch Augapfel), liegt richtig. Wie der Surrealist Buñuel bezieht sich auch Rosen aufs Unbewusste, stürzt sich mit Lust am Freud in die Abgründe des sozialen Gedächtnisses. In The Dust Channel wird der Sauberkeitsfimmel später mittels Bildern von der Wüste und aus TV-Nachrichten mit der "Flüchtlingskrise" verknüpft.

Subtiler, oder jedenfalls weniger schrill, sind die anderen Arbeiten Rosens auf der Documenta: Im Kasseler Grimm-Museum breitet sich eine 1989 bis 1991 entstandene Adaption von Shakespeares Kaufmann von Venedig aus, eines Stücks über einen Geldverleiher, das wesentlich die Idee vom "hinterhältigen Juden" mitprägte. Originaltextdrucke treffen dabei auf eine weitere, so undurchdringliche wie faszinierende Erzählebene aus Text, Zeichnung, Malerei, mit der Rosen das Stück dekonstruiert.

Dieselbe Methode prägt auch Rosens Arbeit in Athen, wiederum eine gar aberwitzige: Live and Die as Eva Braun (1995-1997) verstrickt geneigte Betrachter in die Idee, in den letzten Tagen im Führerbunker die Frau an der Seite Adolf Hitlers zu sein. (Roman Gerold aus Kassel, 19.6.2017)