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Freundlich, äußerlich beinahe harmonisch, haben die Chefverhandler David Davis (links) und Michel Barnier die Brexit-Gespräche begonnen.

Foto: Reuters / François Lenoir

Die Stimmung war nicht schlecht, der Umgang mit den Streitthemen sachlich, der Tonfall der Hauptakteure sogar richtiggehend freundlich. Unter diesen Umständen begann am Montag in Brüssel die erste Runde der Verhandlungen zum EU-Austritt Großbritanniens. Die Delegationen beider Seiten trafen einander zu einem ersten Abtasten, in Form eines Arbeitsessens, mehrerer Arbeitsgruppen und einer Koordinatorensitzung.

Es war dies für die Union eine Premiere. Sieht man vom Sonderfall Grönland (als Teil Dänemarks) ab, hat noch nie ein Mitgliedsland die EU verlassen. Die Briten hatten vor fast genau einem Jahr knapp für den Brexit gestimmt.

"Es gibt mehr, was uns verbindet, als was uns trennt", sagte der für den Brexit zuständige britische Minister David Davis zum Auftakt in der EU-Kommission. London strebe eine "neue tiefe besondere Partnerschaft" an, behauptete er, ohne die Turbulenzen in London nach der Wahlniederlage seiner Premierministerin Theresa May zu erwähnen.

Im trauten textilen Paarlauf mit Davis – blaues Sakko, lila Krawatte, schwarze Schuhe – lieferte der Chefverhandler der EU-27, Michel Barnier, den Beweis dafür ab, dass die Union und er ganz persönlich sich für dieses Ziel bestmöglich vorbereitet haben: Der Franzose sprach Englisch, seit seiner Ernennung im vergangenen Sommer hörbar verbessert. Es sei vor allem um das Abstimmen von Zeitplänen, Abläufen, Prioritäten gegangen, fasste er das Treffen am Abend zusammen. Man werde einander nun alle vier Wochen treffen, jeweils eine Woche lang verhandeln. Dazu gab Barnier das Versprechen ab, dass die Öffentlichkeit "in völliger Transparenz" über die Ergebnisse informiert werden wird. Wichtige Dokumente werden publiziert, versicherte der EU-Chefverhandler im Namen von Präsident Jean-Claude Juncker. In einer "außerordenlichen Situation" müssten die Bürger Europas genau Bescheid wissen.

Davis stimmte all dem zu. Dass es zum Start keine Pannen geben würde, stand von vornherein fest. May hat mit Hochhausbrand und Terror andere Sorgen, als groß Bedingungen in Brüssel zu schicken. London erklärte sich bereit, die von den Staats- und Regierungschefs der EU-27 vorgegebene Linie der Prioritäten bei den Gesprächen vorerst zu akzeptieren. Demnach solle als Erstes die Sicherstellung der Rechte jener rund 4,8 Millionen EU-Bürger (1,5 Millionen Briten, 3,3 Millionen Nichtbriten) angegangen werden, die im Zuge der offenen Grenzen und des Binnenmarktes in ein anderes EU-Land gezogen sind, um dort zu arbeiten, zu studieren oder die Pension zu genießen.

Als Grundformel soll gelten, dass "jeder EU-Bürger auf beiden Seiten des Kanals so weiterleben kann wie bisher", sagte Barnier, seine Rechte behält, wenn er bereits vor dem EU-Austritt Großbritanniens im Gastland war.

Neben den Rechten der EU-Bürger wird eine faire Lösung für Irland – wie man mit der künftigen EU-Außengrenze zu Nordirland umgeht – eine wichtige Priorität. In gleicher Weise muss mit den Briten ein Konsens über die finanziellen Verpflichtungen im hohen zweistelligen Milliardenbereich über den EU-Austritt hinaus gefunden werden müssen.

Erst "wenn der Fortschritt groß genug ist", sagte der EU-Verhandler, werde man die Regierungschefs der EU-27 fragen, ob sie bereit sind, parallel mit Gesprächen über künftige Handelsbeziehungen mit London zu reden.

Tür bleibt für London offen

In Arbeitsgruppen wird das auf technischer Ebene indirekt ohnehin "mitlaufen". Es geht um fünf große Themen: Strategie, Wettbewerbsfragen, Binnenmarkt, Zahlungsverpflichtungen, Handelsfragen. Für Ende des Jahres hofft man auf erste harte Ergebnisse.

Beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg herrschte ein Grundtenor: Man hoffe auf einen "weichen Brexit", Großbritannien solle möglichst im Binnenmarkt bleiben. Die Tür für London bleibe offen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 19.6.2017)