Fast verzweifelt hat man in den letzten Jahren versucht, wieder an goldene Einkaufszeiten anzuschließen. Verführt hat man nur wenige.

Foto: Stadtmarketing Wels GmbH:

Wels – Meine Großmutter hatte zwei große Hobbys: ihren Gemüsegarten und Schaufenster. War zwischen den Kohlrabis alles im grünen Bereich, galt es das feste Schuhwerk zu schnüren – und die Route entlang der Linzer Kaufhäuser in Angriff zu nehmen. Selten wurde wirklich etwas gekauft, das Gustieren reichte meist völlig. War Oma dann doch einmal in Kauflaune, musste es etwas Besonderes sein. Und dann fiel meist der prägende Satz: "Fahr ma’ auf Wels." Ein klares Signal für meinen Großvater, den Austin Morris zu starten (stets ein Abenteuer für sich) und die damals noch blühende Einkaufsstadt anzusteuern.

Innenstadtdepression

Doch von dem einstigen Glanz ist in der zweitgrößten Stadt Oberösterreichs heute wenig über. Die Innenstadt lag in den letzten Jahren im wirtschaftlichen Wachkoma, die politischen Wiederbelebungsversuche blieben weitgehend aus. Und mit den verkehrstechnisch günstig gelegenen Einkaufszentren im Osten, Westen und Norden der Stadt wuchs die Konkurrenz. 2013 sicherte sich Wels-Stadt in einem österreichweiten Bezirksranking hinsichtlich der Lebensqualität noch die "Rote Laterne".

Doch nach Jahren der Trauer um die goldenen Zeiten scheinen jetzt die Tränen in der Stadt an der Traun getrocknet, neuer "Lebensmut" scheint gefasst. Unter neuem Logo – ein dickes W ganz ohne Spree – und vor allem mit einem neuen Wirtschaftskonzept plant man nun, das angekratzte Image wieder aufzupolieren. Und vor allem vorhandene Kräfte zu bündeln: Denn der Großraum Wels ist nach wie vor eine der stärksten Wirtschaftsregionen Österreichs. Eigentümergeführte Betriebe prägen die Unternehmenslandschaft – und haben die Stadt zur Wiege vieler Weltmarktführer gemacht.

Standortliebe

Seit April des Vorjahres koordiniert und vernetzt man nun mit dem Projekt "Wirtschaftsservice Wels" (WSW) sämtliche Aktivitäten im Standortmarketing und in der Betriebsansiedlung. Oder um es mit den Worten des Welser Wirtschaftsstadtrates Peter Lehner (VP) zu sagen: "Die Provinz wurde lange nicht beachtet – das soll sich nun ändern. Die Wirtschaft in der Provinz ist die entscheidende, denn wir stehen an der Werkbank."

Wohl selten dort zu finden ist Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß. Die 47-Jährige ist Geschäftsführerin der Fronius-Gruppe und steht damit, gemeinsam mit vier Managern, einem global aufgestellten Konzern mit gesamt 3723 Mitarbeitern vor. An den Welser Wurzeln hält man trotz aller Internationalität aber bewusst fest: "Logistisch gesehen ist Wels als Standort ideal. Wir sind mitten in der Stadt, nahe am Bahnhof und in gut zwanzig Minuten am Flughafen Linz-Hörsching." Aktuell beschäftigt man am rund 17.000 Quadratmeter großen Standort in Wels, angesiedelt sind der Vertrieb und das Marketing, rund 500 Mitarbeiter. Engelbrechtsmüller-Strauß: "Und wir wollen und werden weiterwachsen." Doch die Fronius-Managerin sieht auch die Schwierigkeiten in der Messestadt: "Im Welser Wirtschaftsraum gibt es generell viel Potenzial nach oben. Das sage ich auch als Privatperson, die in Wels lebt." Aber es sei durchaus ein Umdenken spürbar: "Es ist wieder eine klare Bereitschaft da, Betriebe am Standort zu halten."

Erfolgreiches Schütten

Keine Ambitionen, Wels den Rücken zu kehren, hat man auch bei Daxner Schüttgut-Technologie. Das auf den ersten Blick unscheinbare Unternehmen in der Welser Vogelweide hat sich seit der Gründung 1984 zu einem weltweit agierenden Spezialisten im Bereich des Anlagenbaus für die Nahrungsmittel-, Tiernahrungs- und chemische Industrie entwickelt. An der Spitze stehen Firmengründer Johann Daxner und sein Sohn Christian. Und dem Unternehmen ist es übrigens mit zu verdanken, dass der Kaffee in die Kapsel kommt: Nespresso zählt nämlich zum Kundenkreis der Welser Schüttexperten.

Weiter wachsen will man auch bei Daxner am Gründungsstandort. Ein Grundstück ist bereits angekauft, aktuell wartet man auf die nötigen Genehmigungen.

Im Welser Traditionshotel Ploberger direkt am Kaiser-Josef-Platz hat man den Ausbau- und Umbau sowohl im Management als auch gebäudetechnisch geschafft. Geführt wird das Viersternehaus, seit 1914 in Familienhand, nämlich seit gut vier Jahren von den Brüdern Michael und Markus Ploberger. Der 35-Jährige und der 34-Jährige haben mit der Übernahme auch gleich die Hilti in die Hand genommen. Rund 3,6 Millionen Euro wurden in den Umbau des Hotels gesteckt. "Es ist der richtige Zeitpunkt. Es herrscht eine Aufbruchsstimmung in Wels. Jeder will etwas verändern", ist Markus Ploberger überzeugt.

Und tatsächlich fällt die erste WSW-Bilanz durchaus positiv aus: Der Leerstand in der Innenstadt konnte von 11,5 Prozent (2016) auf 3,6 Prozent gesenkt werden. (Markus Rohrhofer, 21.6.2017)