Wolfsburg/Bratislava – Arbeitnehmer im slowakischen VW-Werk in Bratislava haben ihren am Dienstag begonnenen Streik für höhere Löhne auch am heutigen Mittwoch fortgesetzt. Zwischen Gewerkschaften und Unternehmen ist es vorerst zu keiner Annäherung gekommen, die Arbeitnehmer kündigten an, notfalls bis zum planmäßigen Betriebsurlaub mit Beginn am 3. Juli im Ausstand auszuharren, berichteten Medien im Land.

Eine weitere Verhandlungsrunde war vonseiten der Fabriksleitung für Mittwochnachmittag angekündigt. Forderungen der Gewerkschaften nach einer Erhöhung der Tariflöhne um 16 Prozent hatte das Unternehmen zuletzt als überzogen abgelehnt und lediglich eine schrittweise Erhöhung um knapp 9 Prozent in den nächsten zwei Jahren angeboten. Der Durchschnittslohn bei VW Slovakia liegt schon derzeit mit 1.800 Euro weit über dem Landesdurchschnitt, ist allerdings weiterhin recht weit entfernt vom Durchschnittsgehalt deutscher Konzernkollegen mit rund 4.500 Euro.

Versammlungen vor der Fabrik

Am ersten Streiktag hatten laut Gewerkschaften gut 8.000 der insgesamt 12.300 Beschäftigten ihre Arbeit niedergelegt. Bis zu 5.000 Mitarbeiter versammelten sich vor der Autofabrik am Rande von Bratislava, um ihren Forderungen lautstark Nachdruck zu verleihen. Die Fabriksleitung war gezwungen die Produktion einzustellen.

Trotz mehrerer Versuche die Fließbänder erneut anlaufen zu lassen, wurden seit Dienstagmorgen lediglich 43 Autos des Typs VW New Small Family gefertigt, die Produktion der Luxuswagen VW Touareg und Audi Q7, sowie Karosserien des Porsche Cayenne stand still. Im Normalfall laufen täglich mehr als 1.400 Autos vom Band.

Unterdessen warnte der slowakische Verband der Autoindustrie (ZAP), der Streik gefährde die Wirtschaft des ganzen Landes, die Konkurrenzfähigkeit der slowakischen Autoindustrie sowie die Position der Slowakei auf internationalen Märkten. Neben dem VW-Werk selbst könnten auch 50.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern im Land bedroht sein, betonte ZAP-Präsident Juraj Sinay. Der Konzern könnte wegen des Vertrauensverlustes nicht nur künftige Investition im Land überdenken, sondern auch einen Teil seiner Produktion recht schnell in andere Länder verlagern, hieß es.

Finanzielles Desaster

Laut Schätzungen des Instituts für Finanzpolitik beim Finanzministerium in Bratislava würde ein Streik bei VW, der sich länger als zwölf Tage hinzieht, bereits das BIP der Slowakei um 0,1 Prozent reduzieren. VW Slovakia, der größte private Arbeitgeber der Slowakei, erzielt täglich einen Umsatz von 6,3 Mio. Euro.

Beschäftigte in der Autobranche hatten noch nie eine bessere Verhandlungsposition als jetzt, kommentierten am Mittwoch Medien im Land. In der Slowakei herrscht ein immer größerer Arbeitskräftemangel. Auf dem größten slowakischen Arbeitsportal Profesia.sk finden sich derzeit über 9.400 Stellenangebote allein in der Autoindustrie. Die Arbeitslosenrate der Slowakei ist aktuell auf den bisherigen Tiefststand von 7,35 Prozent zurückgegangen.

Neben VW sind bereits die Autobauer PSA Peugeot Citroen und Kia in der Slowakei etabliert. Mit Jaguar Land Rover, der derzeit seinen Produktionsbetrieb im westslowakischen Nitra baut, ist schon der vierte große Autokonzern dabei sich im Land anzusiedeln. Ab September soll auch dort mit Einstellungen begonnen werden. Laut Prognosen des ZAP werden die Autobauer im Land bis 2020 mindestens 14.000 neue Arbeitskräfte brauchen. (APA, 21.6.2017)