Tirols Günther Platter ist mittlerweile dienstältester ÖVP-Landeshauptmann in Österreich.

Foto: Florian Lechner

STANDARD: Sie sind der längstdienende ÖVP-Landeshauptmann Österreichs. Fühlen Sie sich seit der Übernahme der Partei durch Sebastian Kurz entmachtet?

Platter: Nein, überhaupt nicht. Ich finde alle seine Vorschläge absolut in Ordnung. Es geht ja darum, dass er als Bundesparteiobmann die gleichen Möglichkeiten erhält wie ein Landesparteiobmann. Denn ich habe auch die Freiheiten, was die Listenerstellung der Landesliste betrifft, und wir hatten bei der letzten Landtagswahl mit "Tiroler Volkspartei – Günther Platter" auch eine Namensnennung bei der Landesliste dabei.

STANDARD: Das von ihm geforderte Vetorecht bei der Erstellung der Landeslisten ist für Sie in Ordnung?

Platter: Ja. Ich meine, wie wird sich das in der Praxis abspielen? Man wird das natürlich vorher besprechen, man kennt sich ja gut. Der Bundesparteiobmann soll bei Personalentscheidungen für eine Bundeswahl, bei der er die Verantwortung trägt, die Entscheidungsmöglichkeit haben.

STANDARD: Sie kommen aus dem ÖAAB. Kurz will auch die Bünde entmachten. Wie stehen Sie dazu?

Platter: Ich glaube schon, dass es nötig ist, korrigierend einzugreifen. Die Partei muss Geschlossenheit zeigen. Aber die Bünde decken die gesamte Gesellschaft ab, geben inhaltliche Inputs und haben eine große Organisationsstärke. Daher muss beides seinen Platz haben.

STANDARD: Hinsichtlich der Nationalratswahl werden bereits Koalitionsvarianten diskutiert. Ihre Stellvertreterin Ingrid Felipe hat den grünen Bundesvorsitz übernommen. Würden Sie der ÖVP auch auf Bundesebene zu einer Koalition mit den Grünen raten?

Platter: Unser erklärtes Ziel ist, Erster zu werden und den Kanzleranspruch zu stellen. Was Koalitionen betrifft, hat die SPÖ jetzt eine Kehrtwendung gemacht. Sie wollen mit den Freiheitlichen koalieren, sonst hätte man ja den ganzen Zinnober nicht aufführen müssen. Es geht ihr darum, Sebastian Kurz zu verhindern. Gut, das ist ihre Sache, wenn sie mit der FPÖ koalieren will. Ich halte es so wie bei Landtagswahlen: Jetzt schauen wir einmal, dass wir den Kanzleranspruch stellen, und dann muss man schauen, wie wir inhaltlich mit anderen zusammenkommen.

STANDARD: Sie haben als Minister Erfahrung mit einer schwarz-blauen Regierung gesammelt, als Landeshauptmann leiten sie eine schwarz-grüne. Wer passt eher zur ÖVP?

Platter: Ich kann nur eines sagen: Wir haben in Tirol eine sehr positive Vierjahresbilanz gezogen. Das Land hat sich gut weiterentwickelt. Das Entscheidende in einer Koalition ist, dass es Verlässlichkeit gibt und nicht hinterrücks immer wieder Dinge gemacht werden, die das Regieren behindern. Das ist bei den Grünen nicht der Fall, und daher kann ich eine gute Bilanz ziehen.

STANDARD: Würden Sie Schwarz-Grün also auch auf Bundesebene empfehlen?

Platter: Auf Bundesebene gilt dasselbe. Die Frage ist, mit wem kann ich inhaltlich zusammenarbeiten, und auf wen kann ich mich verlassen? Das hat weniger mit den Parteien, sondern vielmehr mit den handelnden Personen zu tun.

STANDARD: Sie haben sich in den vergangenen Jahren inhaltlich gewandelt, etwa in der Frage der Gesamtschule, die Sie im Gegensatz zu vielen Parteikollegen befürworten. Sind Sie mittlerweile der Linke in der ÖVP?

Platter: Ich bin Realist. Und da ist es notwendig, offensive Schritte zu setzen. Ich halte überhaupt nichts davon, sich einzubunkern und darauf zu beharren, dass alles so bleibt, wie es früher einmal war. Das ist Rückschritt, ich will Fortschritt. Daher habe ich selbst die Bildungsreform mitverhandelt. Das war auch ein wichtiges Thema in der Landeshauptleutekonferenz unter meinem Vorsitz. Und dass es nun zu einer Einigung mit den Grünen gekommen ist, hat sicher auch damit zu tun, dass sich die westlichen Landeshauptleute massiv ins Zeug gelegt haben – einerseits in der Bundespartei, andererseits in den Verhandlungen mit den Grünen.

STANDARD: Offen bleibt in Sachen Bildung jedoch die Frage der Studienplatzfinanzierung.

Platter: Für Tirol als Universitätsstandort ist das ein zentrales Thema. Mein Appell an die Bundesregierung lautet daher: Macht doch endlich diese Studienplatzfinanzierung. Die Bevölkerung will, dass so lange wie möglich gearbeitet wird, und nicht einen monatelangen Wahlkampf erleben. Das wäre sicher ein positives Signal für die Menschen, wenn sie merken, dass die Regierungsparteien dieses Zukunftsthema noch umsetzen würden. Die ÖVP will – und daher eine herzliche Einladung an die SPÖ, dieses Thema endlich abzuschließen. Ich erinnere den Bundeskanzler daran, dass die Studienplatzfinanzierung in seinem "Plan A" vorgesehen wäre.

STANDARD: Neben der Bildungsreform war auch die Sicherheit ein Hauptthema Ihres Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz. Wie steht es um Tirol?

Platter: Die objektiven Zahlen sind sehr in Ordnung. Viele Delikte gehen zurück, die Aufklärungsrate steigt. Aber es geht um das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen. Denn aufgrund täglicher Meldungen von Terror, Krieg, Migrationswellen und so weiter ist eine zunehmende Verunsicherung in der Bevölkerung spürbar. Und da erwarte ich mir mehr Polizei. Daher habe ich mit Innenminister Sobotka vereinbart, dass wir bis 2019 in Tirol 200 zusätzliche Polizisten in den Dienst nehmen.

STANDARD: Die Verbrechensrate sinkt, die Aufklärungsrate steigt. Wäre es da nicht Aufgabe der Politik, den Menschen ihre Ängste zu nehmen, anstatt den Sicherheitsapparat aufzurüsten?

Platter: Nur verbal funktioniert das nicht. Denn das Angstmachen kommt von einer Partei. Die machen das täglich und operieren dabei mit falschen Zahlen. Etwa aktuell, was die Zahl der Anlandungen von Flüchtlingen in Italien betrifft. Da hat die FPÖ von 189.000 gesprochen, tatsächlich waren es knapp über 60.000. Da wird mit falschen Zahlen gearbeitet und große Unsicherheit erzeugt. Und ja, Aufgabe der Politik ist es, den Leuten die Angst zu nehmen und die Wahrheit zu sagen. Daher versuche ich auch zu vermitteln, dass die Lage am Brenner aufgrund unserer Maßnahmen derzeit überschaubar ist und wir sie im Griff haben. Aber ich brauche mehr Polizei, um im Fall, dass sich die Situation zuspitzt, schnell handeln zu können. Nur Worte allein sind in der Sicherheitspolitik zu wenig.

STANDARD: Auf Bundesebene sind die Eurofighter wieder Thema eines Ausschusses. Werden Sie als ehemaliger Verteidigungsminister auch vorgeladen?

Platter: Ich weiß es noch nicht, wenn ich eingeladen werde, komme ich. Die Kaufentscheidung wurde ja schon getroffen, bevor ich Verteidigungsminister wurde, und der Vertrag war bereits von den Experten im Haus ziemlich finalisiert. Wenn jetzt aber bekannt werden sollte, dass es einen Schaden für die Republik gegeben hat, dann haben alle einen Beitrag dafür zu leisten, diesen Schaden wieder gutzumachen. In dieser Vorgangsweise unterstütze ich daher ausdrücklich Verteidigungsminister Doskozil. (Steffen Arora, 21.6.2017)