Romanautor Gerhard Roth wird dieser Tage 75 Jahre alt.

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Wien – Das erste, nicht gering zu schätzende Geburtstagsgeschenk nimmt Autor Gerhard Roth zwei Tage vor seinem 75. Wiegenfest am 24. Juni entgegen. Donnerstagabend lesen Elisabeth Orth und Klaus Maria Brandauer im Wiener Burgtheater aus Roths neuem Roman Die Irrfahrt des Michael Aldrian. Das Buch erscheint regulär im September des laufenden Jahres. Erzählt wird darin von der Albtraumreise eines Opernsouffleurs in Ruhe. Diesen führt sein Weg nach Venedig. In der Lagunenstadt möchte er den Bruder besuchen und obendrein Eindrücke für die Abfassung eines Reiseführers sammeln.

Doch in der von Hochwasser geplagten Stadt muss Michael Aldrian nicht nur seinen Bruder verloren geben, sondern bald um das eigene Leben fürchten. Ein "klassischer" Roth-Roman, über der unsichtbaren Demarkationslinie zwischen Irrsinn und Normalität errichtet. Zugleich schließt sein Autor mit ihm an die österreichische Tradition an, Venedig als Stimmungskulisse zu gebrauchen, als Indikator für Wahrnehmungsveränderungen. Man denke an Hugo von Hofmannsthals Fragment Andreas oder Die Vereinigten und die Frage nach dem Bildungsreiseziel Italien.

Bereits 1977 entführte Peter Rosei (71) in Wer war Edgar Allan? auf den Markusplatz, ins Café Quadri. Dort begegnete ein Bummelstudent mit unkontrolliertem Suchtverhalten einem Herrn aus Boston, der nicht nur die Schifffahrt liebt und künstliche Paradiese bereist, sondern auch wirklich Edgar Allan heißt ... Die zweite Roth'sche Buchveröffentlichung dieser Tage gilt einem Schlüsselwerk des Autors. Landläufiger Tod, ursprünglich 1984 erschienen, wird erstmals in der intendierten Urfassung, erweitert und neu durchgesehen, herausgegeben.

In diesem Mammutroman wurde Roths Lebensthema der Verstörung als Naturtheater in Szene gesetzt. In ihm sprechen Tiere, Steine und Blätter; eine Figur ist mit der Gabe befähigt, hinter der sichtbaren Welt die verborgene wahre aufzuspüren. Ein markanter Beitrag zu Roths Gegengeschichte Österreichs. Gesammelt wurde sie in den sieben Bänden der Archive des Schweigens.

Nicht minder ambitiös der Zyklus Orkus mit seinen acht Bänden, beschlossen von einem gleichnamigen Skizzenbuch, Untertitel: Reise zu den Toten (2011). Roth, Mediziner ohne Abschluss und gelernter Datenverrechner, ist der unverzichtbare Chronist einer Mentalität, die man sich scheut die "heimische" zu nennen, weil sie doch eher unheimlich ist. (Ronald Pohl, 21.6.2017)