Bessere Zeiten: Da feierte Bayrou (rechts) noch mit Macron, nun musste er die Regierung verlassen.

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Nach nur einem Monat verliert Emmanuel Macron in seiner Regierung bereits mehrere Stützen. Am Montag war Städtebauminister Richard Ferrand wegen der Vermischung geschäftlicher und privater Finanzpraktiken wegbefördert worden, am Dienstag folgte Verteidigungsministerin Sylvie Goulard wegen Scheinbeschäftigung; am Mittwoch gaben Justizminister François Bayrou und Europaministerin Marielle de Sarnez ihren Abgang bekannt. Ersetzt wurden sie am Abend bei einer ohnehin geplanten Regierungsumbildung durch drei wenig bekannte Frauen: Florence Parly übernimmt die Verteidigung, Nicole Belloubet die Justiz und Nathalie Loiseau das Europadossier.

Die drei abgelösten Bayrou, Goulard und de Sarnez gehören Macrons Juniorpartner Modem an. Diese Mittepartei hatte nach 2007 Angestellte zum Schein als parlamentarische Assistenten der Europaabgeordenten Goulard und de Sarnez ausgegeben; sie wurden damit aus der EU-Kasse entlohnt. Das galt unter anderem für die persönliche Sekretärin und für die Kabinettschefin von Parteichef Bayrou.

Besonders pikant – und deshalb auch unhaltbar – war die Lage Bayrous: Er hatte vor Wochenfrist gerade ein Gesetz zur "Moralisierung" der französischen Politik vorgestellt, in dem etwa die Beschäftigung von Familienangehörigen im Parlament untersagt wird.

Dieses Versprechen hatte Macron im Präsidentschaftswahlkampf gemacht, damit sich die Affäre der konservativen Kandidatengattin Penelope Fillon nicht wiederhole. Ans Tageslicht gekommen war die Modem-Affäre durch die Aussage einer Europaabgeordneten des Front National, die sich darüber beschwerte, dass während des Präsidentschaftswahlkampfes nur ihre Kandidatin Marine Le Pen wegen EU-Scheinjobs unter Beschuss geraten war.

Langes Zögern

Die Causa Modem ist eigentlich ein Konzentrat der Fillon- und Le-Pen-Affären, die den Ausgang der Präsidentschaftswahlen möglicherweise entscheidend beeinflusst haben. Macron hatte deshalb gar keine andere Wahl, als sich schnellstmöglich von den belasteten Ministern zu trennen. Dass er lange – zu lange – zögerte, kann man bis zu einem gewissen Maße nachvollziehen: Der Präsident verdankt seine Wahl sehr direkt sowohl Ferrand wie Bayrou.

Ferrand war als erster Sozialist in die Macron-Bewegung En Marche übergelaufen; er zog das ganze sozialliberale Lager mit sich und baute En Marche als Generalsekretär zu der Wahlmaschine auf, die alle übrigen Parteien überrollte. Bayrou wiederum verzichtete auf seine eigenen Kandidaturpläne, um mit – hinter – Macron gemeinsame Sache zu machen. Beides könnte durchaus die vier Prozentpunkte ausgemacht haben, die Macron am Schluss von Fillon trennten. Wenn Macron möglichst lange an Ferrand und Bayrou festhielt, dann auch, weil ihr Rücktritt von ihrer persönlichen Warte aus überaus hart ist.

Bisher gängige Praxis

Der Arbeitersohn Ferrand hatte sich jahrzehntelang aus der Lokalpolitik bis in die höchsten Pariser Sphären hochgearbeitet und konnte seinen Ministerposten als gerechten Lohn dafür ansehen. Bayrou, eine der prägenden Figuren der jüngeren französischen Politik, hatte es nie ganz ins Élysée geschafft und wollte nun als Justizminister einen starken Schlusspunkt unter seine lange Karriere setzen. Wie Goulard und de Sarnez verstehen die beiden wohl nicht – oder erst zu spät -, wie ihnen geschieht: Noch vor einem Jahr waren diese Praktiken in Paris sehr verbreitet gewesen.

Womöglich alle französischen Parteien "finanzierten" sich zum Teil über Assistenten im EU-Parlament. In der Pariser Nationalversammlung beschäftigten 120 Abgeordnete Familienangehörige. All dies sind letztlich Nachwehen der Fillon-Affäre, die eben nur eine von vielen war.

Schon damals hatten in Paris viele Politexperten gemutmaßt, dass nach den Wahlen einige andere Parteileichen aus den Kellern geholt würden. (Stefan Brändle aus Paris, 21.6.2017)